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Neue Strukturen für Plattformregulierung
- Der Deutsche Bundestag hat am 21. März das „Digitale-Dienste-Gesetz“ beschlossen. Damit hat Deutschland die letzten Details zur Durchführung des „Digital Services Act“ der EU geklärt. Im April entscheidet der Bundesrat.
- Für alle digitalen Dienste mit Sitz in Deutschland und weniger als 45 Millionen monatlichen Nutzer*innen übernimmt künftig ein unabhängiger Strang innerhalb der Bundesnetzagentur die Aufgabe der „Koordinierungsstelle für digitale Dienste“.
- Im parlamentarischen Verfahren konnten wir den Regierungsentwurf noch erheblich verbessern, etwa indem wir die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden, den neuen Beirat und die Stellung der Nutzer*innen erheblich gestärkt haben.
Mit dem 17. Februar 2024 hat eine neue Ära der Regulierung des digitalen Raums begonnen: Der Digital Services Act (DSA) der EU ist vollständig in Kraft getreten. Der Rechtsakt ist ein Meilenstein zur Regulierung von Online-Plattformen. Er wurde in der öffentlichen Debatte häufig als das „Grundgesetz für das Internet“ bezeichnet. Sein Anwendungsbereich umfasst ein weites Spektrum sogenannter Hosting-Anbieter und digitaler Dienste: Damit sind sowohl soziale Netzwerke wie LinkedIn, Instagram, X oder TikTok, als auch Online-Marktplätze und Webshops wie Amazon, AliBaba oder Zalando gemeint. Für „sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen“ mit monatlichen Nutzerzahlen über 45 Millionen gelten die Vorschriften bereits seit Anfang 2023, denn die Aufsichtsbefugnisse in diesem Bereich liegen ausschließlich bei der EU-Kommission.
Mit dem „Digitale-Dienste-Gesetz" (DDG) hat der Bundestag am 21. März 2024 die nationale Umsetzung des DSA ausbuchstabiert. Nachdem nun die letzten Details der Aufsichtsstruktur und Durchsetzung des DSA feststehen, kann die Umsetzung beginnen. Die nationale Koordinierungsstelle für digitale Dienste (KDD) wird künftig bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) angesiedelt.
Grundrechte in sozialen Netzen und auf Online-Marktplätzen
Mit dem DSA schützen wir die Grundrechte im Internet und bringen sie in einen schonenden Ausgleich. Sensible Gruppen erhalten einen besseren Schutz, die Meinungsfreiheit wird gestärkt, der Umgang der Anbieter mit Beschwerden vereinheitlicht und die Nutzer*innen erhalten einen tieferen Einblick in den Maschinenraum der Online-Plattformen. Denn wer digitale Dienste betreibt, muss künftig eine ganze Reihe an Vorgaben einhalten. Die Pflichten für Tech-Unternehmen reichen von weitreichender Information der Nutzer*innen über die Funktionsweise der Dienste (zum Beispiel der Empfehlungsalgorithmen) über eine Kennzeichnungspflicht für Werbung und strenge Vorgaben zur Meldung, Moderation und Löschung illegaler Inhalte bis hin zu einem Verbot personalisierter Werbung gegenüber minderjährigen Nutzer*innen.
Starker Beirat, starke IT
Um die Aufsichtstätigkeit der zuständigen Behörden zu begleiten, setzen wir einen neuen Beirat aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Verbänden ein. Die Befugnisse des Beirats umfassen sowohl die konstruktive Begleitung als auch die wissenschaftliche Beratung der Koordinationsstelle und der anderen Behörden. Im parlamentarischen Verfahren konnten wir erreichen, dass der Beirat einen eigenen Informationsanspruch gegenüber der Koordinierungsstelle bekommt: Dadurch erhält er auch vertrauliche Einblicke in die Arbeitsweise und kann Informationen über die DSA-Umsetzung anfragen. Die Transparenz stärken wir weiter dadurch, dass die Öffentlichkeit die Stellungnahmen und Empfehlungen des Beirats jederzeit online über die Seite der Koordinierungsstelle einsehen kann. Der Beirat gibt sich selbstständig eine Geschäftsordnung und bedarf dafür – das haben wir durch Änderungsanträge noch verändert – keinerlei Genehmigung der Exekutive. Das alles sind gute Voraussetzungen für neue Formen der konstruktiven Einbindung externer Expertise und eine moderne Aufsicht über digitale Dienste. Nicht zuletzt haben wir sichergestellt, dass es Anreiz und Wertschätzung für Personen aus der aktiven Zivilgesellschaft und Wissenschaft gibt, die sich ehrenamtlich im Beirat engagieren. Für sie kann der Aufwand für die Vorbereitung auf die Sitzungen und eine proaktive Begleitung fairer entschädigt werden.
Nutzer*innen können ihre Beschwerden zukünftig niedrigschwellig online bei der KDD melden. Das Design wird intuitiv und leicht zugänglich sein und dabei helfen, dass Beschwerden hinreichend präzise und angemessen begründet eingereicht werden können. Hierdurch unterstützen wir Nutzer*innen in der Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden und sorgen dafür, dass sie dort mit ihren Anliegen gehört werden. Der Erfüllungsaufwand sieht außerdem Finanzmittel für eine gemeinsame IT-Plattform vor. Über sie können die zuständigen deutschen Behörden ihre Erkenntnisse teilen, Maßnahmen vorbereiten und auch die Koordination mit anderen EU-Mitgliedstaaten und der Kommission abwickeln. Durch die digitale Zusammenarbeit entstehen nicht nur Synergie- und Einsparungseffekte, sondern im besten Fall auch eine neue Kultur der Ebenen-übergreifenden Zusammenarbeit beim Vollzug der neuen EU-Digitalgesetze. Auf die Erkenntnisse können weitere Aufsichtsbehörden für EU-Digitalgesetze – etwa beim AI Act, Data Act oder Data Governance Act – gewinnbringend aufsetzen.
Schlagkräftige Behörden
Damit die EU-weiten Regeln in die Praxis durchschlagen und Rechtsverstöße effektiv geahndet werden können, koordinieren EU-Kommission und mitgliedstaatliche Aufsichtsbehörden die Durchsetzung gemeinsam. Die nationale Koordinierungsstelle für digitale Dienste (KDD) wird als unabhängiger Strang der BNetzA eingerichtet und dient sowohl für die Nutzer*innen als auch für andere europäische Akteure als nationaler Dreh- und Angelpunkt.
Die KDD dient einerseits als erste Anlaufstelle für betroffene Personen, die Beschwerden gegen soziale Netzwerke und E-Commerce-Dienste einreichen wollen und begleitet sie während des kompletten Verfahrens. Nutzer*innen kommunizieren also nur mit einer einzigen Stelle, während im Hintergrund für jedes Anliegen die zuständigen Stellen ihren Aufgaben nachkommen. Andererseits dient die Koordinierungsstelle als Kontaktpunkt für die Behörden anderer Mitgliedstaaten und die EU-Kommission, insbesondere bei der Durchsetzung grenzüberschreitender Sachverhalte. Auch mit den in Deutschland ansässigen Diensten, die weniger als 45 Millionen monatliche Nutzer haben, tritt die Koordinierungsstelle direkt in Kontakt und achtet darauf, dass sie die Vorgaben des DSA einhalten.
Damit die KDD diese Aufgaben möglichst gut erfüllen kann, haben wir ihre Position im Gesetzgebungsprozess deutlich gestärkt. Hohe Anforderungen an die Leitungsposition kommen nun zusammen mit hohem Vertrauen in eine unabhängige Wahrnehmung ihrer Aufgaben: Die Leitung der Koordinierungsstelle arbeitet frei und ohne Weisungen – und wird transparent im Wege einer öffentlichen Ausschreibung ausgewählt. Bei der Auswahl der Leitung der KDD handelt der*die Präsident*in der Bundesnetzagentur unabhängig, insbesondere handelt er nicht im Einvernehmen mit Ministerien. Wir haben im Gesetz verankert, dass die Leitung der KDD sowohl die Geschäftsmodelle als auch den Rechtsrahmen digitaler Dienste gut kennen muss. Auch wirtschaftlicher Einflussnahme beugt das DDG vor: Die Leitung darf nicht zugleich ein Unternehmen der Digitalwirtschaft führen oder innehaben. Durch diese und weitere Vorkehrungen stellen wir sicher, dass die Position unpolitisch und staatsfern besetzt wird und auch wirtschaftlich unabhängig die besten Entscheidungen trifft.
Neben der BNetzA hat der Kabinettsentwurf auch weitere Spezialzuständigkeiten geschaffen, denen er ein Kontingent an Planstellen zuweist. Für den Online-Schutz Minderjähriger teilen sich die Landesmedienanstalten und die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz die Aufsichtsbefugnisse entlang der föderalen Aufgabenteilung und verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten im Jugendschutz und Medienrecht. Außerdem agiert das Bundeskriminalamt als zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte und leitet die Meldungen an die zuständige Behörde weiter – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wir haben im Gesetz verankert, dass das BKA jährlich Bericht darüber erstatten muss, welche Meldungen zu welchen Straftaten bei ihm eingegangen sind.
Mit Elan für sichere Online-Plattformen
Mit dem DDG legt Deutschland den Grundstein für eine effektive Plattformregulierung mit einer starken nationalen Aufsichtsstruktur im europäischen Verbund. Die Umsetzung des DSA stärkt die Rechte der Internetnutzer*innen nachhaltig und setzt der Marktmacht der großen Digitalkonzerne und omnipräsenten digitalen Dienste eine Marktaufsicht „mit Zähnen“ entgegen. Nun gilt es, die neuen unabhängigen Stellen schnellstmöglich aufzubauen und auf eine Weise auszustatten, dank derer sie ihre Aufgaben mit Elan und Tatendrang erfüllen können. Durch eine starke Aufsicht im europäischen Verbund kann es gelingen, die Macht großer Plattformanbieter staatlich zu kontrollieren und Verbraucher*innen besser zu schützen.
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