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Der Krise der Autoindustrie entschlossen begegnen
- Die europäische Automobilindustrie steuert aktuell in ihre schwerste Krise seit Jahrzehnten – ursächlich sind strukturelle Abhängigkeiten.
- Um Wettbewerbsstärke und Arbeitsplätze zu erhalten, braucht es einen entschlossenen Wandel hin zu Elektromobilität und mehr Digitalisierung.
- Europäische Vorgaben für den CO2-Ausstoß von Neuwagen aufzugeben, wäre kontraproduktiv – eine Flexibilisierung sollte im Interesse der Hersteller aber geprüft werden.
Die europäische Automobilindustrie ist in schwieriges Fahrwasser geraten – mehrere miteinander verbundene Faktoren sind dafür verantwortlich. Ihre Krise drückt sich vor allem darin aus, dass bereits seit einigen Jahren der Absatz europäischer Hersteller auf dem weltweiten wie auf dem europäischen Markt rückläufig ist und zahlreiche Automobilfirmen und -zulieferer Stellen abbauen.
Nach Jahrzehnten, in denen die deutschen Autobauer in großem Ausmaß von der Pkw-Nachfrage in China profitiert haben, ist die Branche in Deutschland auf besondere Weise durch die Krise betroffen und verunsichert.
Festhalten am Verbrenner ist keine Lösung
Manche politischen Akteure drängen jetzt darauf, gesetzliche Vorgaben für den Klima- und Umweltschutz zu schleifen, um der Autoindustrie zu helfen. Richtig ist: Der Übergang vom Verbrenner- zum Elektroantrieb stellt eine große Herausforderung dar, sowohl technologisch als auch finanziell. Aber ein Stopp der Antriebswende, ein Festhalten am Verbrennungsmotor, würde der Autoindustrie nicht helfen, sondern ganz im Gegenteil: Wenn unsere Automobilhersteller bei klimafreundlichen und effizienten Antriebstechnologien nicht mehr mithalten könnten, würden sie den Anschluss an künftige Märkte verlieren und ihre Wettbewerbschancen früher oder später ganz einbüßen. Schon jetzt setzen neue Unternehmen aus China und den USA die traditionellen Autobauer massiv unter Druck und erzielen zum Teil deutlich höhere Börsenwerte. Das ist der Grund, weshalb seitens der Automobilbranche die Forderung, bei Elektromobilität auf die Bremse zu treten, ausbleibt.
Wenn Strategien nicht mehr zünden
Die Krise der Automobilindustrie ist in weiten Teilen strukturell bedingt. Lange Zeit haben vor allem deutsche Hersteller auf PS-starke Dieselmotoren gesetzt und dabei bekanntlich auch auf die illegale Manipulation von Abgaswerten zurückgegriffen. Mit großen Limousinen ließen sich über viele Jahre beträchtliche Margen erzielen und höhere Lohnkosten an heimischen Standorten vereinen. Die Abhängigkeit von diesem Geschäftsmodell, durch staatliche Subventionen noch einmal erheblich verstärkt, wird nun zu einem Nachteil. Durstige Verbrenner und schmutzige Abgase passen nicht mehr in eine Welt, die Umweltbelastungen in ihren urbanen Ballungsräumen verringern will.
Umgekehrt hat es Europa versäumt, rechtzeitig seinen Rückstand bei Halbleitern, Batterien und Softwareentwicklungen aufzuholen. Die zunehmend auf elektronische Bauteile angewiesene Fahrzeugproduktion kann etwa durch Chipmangel erheblich beeinträchtigt und verteuert werden. Die aktuelle Krise prägt daher ein Verlust an Technologieführerschaft und gleichzeitig teuren Überkapazitäten in den Produktionsstandorten.
Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen
Die Branche muss sich umstrukturieren, um den Herausforderungen der Elektromobilität, der Digitalisierung und des globalen Wettbewerbs zu begegnen. Nur durch Innovation wird es den europäischen Herstellern gelingen, sich in einer sich schnell verändernden Welt zu behaupten.
Um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten, muss der Strukturwandel so gestaltet werden, dass es zu keinen vermeidbaren Brüchen und Marktverlusten kommt. Die Automobilbranche braucht im Übergang zur E-Mobilität ein verlässliches Marktumfeld und sichere Rahmenbedingungen. Nur dann werden sich Investitionen in neue Produktentwicklungen auch auszahlen.
Europäische Vorgaben für CO2-Emissionen wirken sich aus
Die Europäische Union hat unter Einbeziehung der europäischen Hersteller im Jahr 2009 erstmals CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Zielwerten für die Folgejahre eingeführt. Sie hat so auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtete Wettbewerbsbedingungen geschaffen. Die Europäische Kommission hat unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) noch im Jahr 2023 die Grenzwerte bis 2035 fortgeschrieben. Der im Jahr 2019 festgelegte Zielwert für das Jahr 2025 blieb in diesem Zuge unberührt. Für ihre Investitionszyklen haben die Hersteller damit seit Jahren klare Rahmenbedingungen und Planungssicherheit.
Vorgaben für den Kraftstoffverbrauch haben in den letzten Jahren erfolgreich als zentraler Anreiz für den technologischen Wandel hin zur Elektromobilität gewirkt und die durchschnittlichen Emissionen von Neuwagen vermindert. Und diese Entwicklung muss zwingend weitergehen.
Nach aktueller Projektion verfehlt der Verkehrssektor seine Reduktionsziele zwischen 2021 und 2030 um insgesamt 180 Millionen Tonnen CO2. Der Hochlauf der Elektromobilität im Straßenverkehr ist die entscheidende Voraussetzung, um diese Lücke zu schließen und die gesetzlichen Klimaschutzziele zu erreichen. Wir Grüne im Bundestag drängen daher darauf, weitere Randbedingungen, die den CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs vermindern, auf nationaler Ebene anzupassen, wie zum Beispiel die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf allen Autobahnen.
Mehr Flexibilität ermöglichen
Weil sich abzeichnet, dass die Anstrengungen einiger Automobilkonzerne nicht ausreichen, um die für das Jahr 2025 verbindlichen Grenzwerte einzuhalten, und diese Unternehmen unter derzeit erschwerten konjunkturellen Bedingungen Strafzahlungen leisten müssten, ist es vertretbar, ein flexibleres Vorgehen zu ermöglichen. Die Europäische Kommission sollte entsprechend prüfen, ob Übererfüllungen in den beiden Folgejahren mögliche Grenzwertwertverfehlungen im Jahr 2025 ausgleichen können, ohne dass dabei die beschlossene Verordnung geändert werden muss. In diesem Kontext sollte ebenfalls geprüft werden, ob mögliche Strafgelder gezielt dazu verwendet werden können, um die Umstellung der Automobilwirtschaft auf die Elektromobilität zu unterstützen.
Eine Anpassung der Flottengrenzwerte selbst würden hingegen erhebliche Investitionsunsicherheiten schaffen und ausgerechnet in Zeiten, in denen die Durchschnittstemperaturen nach wie vor unvermindert steigen, den Klimaschutz aufheben. Zudem würden Hersteller, die ihr Geschäftsmodell am geltenden Recht ausgerichtet haben, durch diese Wettbewerbsverzerrung enorm benachteiligt.
Was Deutschland selbst tun kann
Die Automobilindustrie ist von herausragender Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Deswegen ist es fahrlässig, wenn hierzulande einzelne Akteure gegen jene europäischen Vorgaben wettern, die sie einst selbst eingeführt haben, und überdies Autofahrer*innen weismachen wollen, die einfache Lösung läge in synthetischen Kraftstoffen. Tatsächlich werden diese teuer bleiben, weil ein viel höherer Energieeinsatz erforderlich ist, um sie herzustellen.
Wir Grüne im Bundestag fordern, mehr Entschlossenheit an den Tag zu legen – gerade was die Chancen betrifft, in Deutschland die Marktbedingungen für die Elektromobilität zu verbessern. Es gilt etwa, Dienstwagen- und Kraftfahrzeugbesteuerung endlich auf mehr Elektromobilität auszurichten und den Umstieg auf einen E-Pkw stärker anzureizen. Der Wechsel auf ein E-Auto muss sich finanziell auszahlen. Dazu gehört etwa auch, überteuerte Gebühren für das Laden an öffentlichen Ladepunkten künftig auszuschließen.
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