Extremwetter nehmen zu

Klimakrise trifft Europa hart

Hochwasser in Bayern - Wertingen
Die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, wie stark Europa und auch Deutschland von den Folgen der Klimakrise betroffen sind. Europa erhitzt sich stärker als jeder andere Kontinent. CO2-Minderung und Klimaanpassung müssen gleichzeitig verfolgt werden. picture alliance/dpa | Stefan Puchner
04.06.2024
  • Hochwasser und Fluten bedrohen zurzeit viele Menschen, Städte und Kommunen in Süddeutschland, auch das Saarland, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen waren alleine in diesem Jahr schon betroffen.
  • Neueste wissenschaftliche Studien zeigen, wie stark die Folgen der Klimakrise alleine Europa und Deutschland bereits durch Fluten, Stürme, Dürren, Waldbrände getroffen haben.
  • Wir müssen unseren CO2-Ausstoß deutlich reduzieren und uns gleichzeitig an zunehmende Extremwetterereignisse besser anpassen.

Die verheerenden Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg zeigen, genauso wie vor ein paar Wochen die Fluten im Saarland und Rheinland-Pfalz oder die dramatischen Weihnachtshochwasser in Niedersachsen, wie die Auswirkungen der Klimakrise Deutschland zunehmend treffen. Extremwetterereignisse wie Fluten durch Starkregen, Dürren und Hitzerekorde werden durch die Erderhitzung nachweislich wahrscheinlicher und treffen auch Europa stärker als bisher angenommen.

Der EU-Klimadienst Copernicus und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) haben für 2023 einen gemeinsamen EU-Klimabericht („European State of the Climate“, kurz ESOTC), verfasst, der in dem kürzlich veröffentlichten EUCRA-Bericht der European Environment Agency (EEA) zur Europäischen Bewertung der Klimarisken einfloss. Beide Studien zeigen auf, dass 2023 für Europa ein Jahr der Kontraste mit extremen Hitzewellen, Waldbränden und Dürren einerseits und katastrophalen Überschwemmungen andererseits war. Dabei rücken zunehmend die hohen Schäden der Klimakrise in den Blick.

Kosten des Nichthandelns übersteigen Kosten von Klimaschutz um ein Vielfaches

Forscher*innen am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung schätzen die jährlichen Schäden der Klimakrise im Jahr 2050 auf weltweit rund 38 Billionen, das ist gleichbedeutend mit 19 Prozent Einkommensverlusten. Die Kosten durch Klimaschäden übersteigen die Investitionskosten in einen effektiven Klimaschutz und Klimawandelanpassung um ein Vielfaches.

Im März 2023 zeigte eine Studie im Auftrag der Bundesregierung die gewaltigen Kosten der Klimakrise für Deutschland auf: Während zwischen 2000 und 2021 mindestens 145 Milliarden Euro Kosten durch klimabedingte Schäden entstanden, sollen bis 2050 den Schätzungen zufolge 280 bis 900 Milliarden Euro Kosten für Klimaschäden auf Deutschland zukommen. Hinzu kommen die katastrophalen Auswirkungen auf Gesundheit, die Belastung von Ökosystem, der Verlust an Biodiversität und eine schlechtere Lebensqualität, ganz zu schweigen von den direkten Gefahren für Leib und Leben. Die furchtbare Flutkatastrophe im Ahrtal und der Erft im Jahr 2021 kostete mindestens 185 Menschenleben und verursachte Schäden von 40,5 Milliarden Euro. Die Folgen für die Region sind lange nicht überwunden.

Europa ist der sich am schnellsten erwärmende Kontinent

Die europäischen Klimaberichte zeigen, dass Europa sich in den letzten dreißig Jahre doppelt so schnell erhitzte wie der globale Durchschnitt – schneller als jeder andere Kontinent. Insbesondere die europäische Arktis ist die sich am schnellsten erwärmende Region weltweit – mit direkten Folgen für Klima und Wetterereignisse bei uns. 2023 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Die globale Durchschnittstemperatur lag 2023 bereits 1,48 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Die Folgen der Erderwärmung für Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft sind verheerend.

Hitzewellen kosten zehntausende Menschenleben

Seit 1970 ist extreme Hitze die Hauptursache für wetter- und klimabedingte Todesfälle in Europa. 23 der 30 schwersten Hitzewellen haben sich seit dem Jahr 2000 ereignet, fünf davon in den zurückliegenden drei Jahren. Der Bericht von Copernicus & WMO beschreibt einen 30-prozentigen Anstieg der Zahl der Hitzetoten in den letzten 20 Jahren. Besonders betroffen sind Städte. Beispielsweise forderte der Rekordsommer 2022 in Europa zwischen 60.000 und 70.000 vorzeitige Todesfälle. Die Hitze bedroht nicht nur die öffentliche Gesundheit, sondern auch unsere Ökosysteme und die unmittelbar von ihr abhängigen Wirtschaftszweige der Forst-, Land- und Wasserwirtschaft. Dürren betreffen insbesondere den Süden Europas, wohingegen Starkregenereignisse über ganz Europa hinweg zu verzeichnen waren.

Überschwemmungen besonders teuer

Niederschlagsmuster ändern sich und extremer Regenfälle nehmen zu, die zu katastrophalen Ereignissen wie den Überflutungen in Italien, Griechenland, Slowenien, Norwegen und Schweden im Jahr 2023 führten. 2023 waren circa 1,6 Millionen Menschen Opfer von Überflutungen, mindestens 44 Menschen starben. Und auch ökonomisch sind Überschwemmungen besonders verheerend: Knapp 81 Prozent der klimabedingten ökonomischen Verluste lassen sich auf die extremen Wassermassen zurückführen. Beispielsweise werden die Schäden der Überschwemmungen in Slowenien 2023 auf ca. 16 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts geschätzt.

2023 Rekordjahr von Klimawandelfolgen

Neben Hitzewellen und Überschwemmungen zeichnete sich das Jahr 2023 durch eine Reihe weiterer Klimarekorde aus. So erreichten auch die Meerestemperaturen (für Europa nordöstlicher Atlantik) Höchststände und eine Rekordschmelze der Gletscher, durch welche die Alpen in den letzten zwei Jahren circa 10 Prozent ihres Volumens verloren. Höhere Meerestemperaturen führen zu höherer Luftfeuchtigkeit und stärkeren Niederschlägen. Außerdem sah 2023 den größten je verzeichneten Waldbrand Europas in Griechenland, wo 96.000 Hektar in Flammen standen. Auch Portugal, Spanien und Italien waren von großen Waldbränden betroffen. Die Auswirkungen solcher Brände sind für die Ökosysteme und ihre Funktion als CO2-Senken, die menschliche Gesundheit, Siedlungen, Infrastruktur, Wirtschaft und Tourismus desaströs.

Klimawandelanpassung muss Verflechtung der Risiken berücksichtigen

Vor dem Hintergrund der bisherigen und prognostizierend katastrophalen Folgen der Klimakrise braucht es sowohl Maßnahmen zur Eindämmung der Erderhitzung (1,5 Grad-Ziel) als auch zur Anpassung an die nicht mehr vermeidbaren Folgen. Denn selbst optimistische Szenarien unter Einhaltung des Pariser Klimaabkommens implizieren eine weitere Zunahme der klimabedingten Gefahren in Europa und weltweit im Laufe des 21. Jahrhunderts.

Die EEA unterstreicht die Notwendigkeit, bei Maßnahmen zur Klimawandelanpassung ein breites Spektrum an Maßnahmen gegen miteinander verbundene Gefahren und sektor- und nationalgrenzen überschreitende Risikokaskaden zu verbinden. Der Klimawandel wirkt als Risikomultiplikator, da klimabedingte Gefahren (beispielsweise Hitze, Dürren und Überflutungen) sich wechselseitig mit nicht-klimabedingten Risikofaktoren (zum Beispiel Fragmentierung von Ökosystemen, Umweltverschmutzung, nicht nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken und Wasserbewirtschaftung, Flächennutzungs- und Siedlungsmuster sowie soziale Ungleichheiten) verstärken.

Um Klimarisiken effizient zu minimieren, müssen sie möglichst frühzeitig angegangen werden. Umfassende Klimawandelanpassung muss darauf abzielen, Ökosystem zu erhalten, Ernährungssicherheit zu garantieren, die öffentliche Gesundheit sowie Daseinsvorsorge zu schützen und Infrastruktur und Wirtschaft zu fördern. Dabei müssen bestehende Ungleichheiten mitgedacht und unverhältnismäßige Belastung schutzbedürftiger Gruppen verhindert werden. Für eine effiziente Klimapolitik und wirksame Klimavorsorge braucht es Klimainvestitionen jetzt.