Hybrides Fachgespräch Deutscher Islam zwischen Islamismus und Islamfeindlichkeit
- Das Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion „Deutscher Islam zwischen Islamismus und Islamfeindlichkeit“ am 15. Mai 2024 hat Akteur*innen des vielfältigen muslimischen Lebens in Deutschland Raum für ihre Themen und Herausforderungen gegeben.
- Das Gespräch hat aufgezeigt, dass sich der Islam in Deutschland in einem Spannungsfeld zwischen Islamfeindlichkeit und Islamismus befindet. Beides kann nur gemeinsam bekämpft werden.
- Die große Vielfalt der Gesellschaft muss stärkere Anerkennung erfahren und in offenen Räumen durch Begegnungen gestaltet werden.
Lamya Kaddor MdB, die innenpolitische Sprecherin, hatte für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Fachgespräch eingeladen und führte durch das Gespräch. Sie eröffnete das erste Panel mit der Beobachtung, dass muslimisches Leben in Deutschland noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Statt Anerkennung und Wertschätzung erfahren Muslim*innen oft zahlreiche Formen der Diskriminierung und offene Ablehnung. Diese Beobachtung teilte auch die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann MdB in ihrem Grußwort und unterstrich, dass sich die Demokratie wehrhaft gegen ihre Feinde zeigen und die vielfältige Gesellschaft schützen muss.
Misbah Khan MdB wies in ihrer Einführung darauf hin, dass es Orte der Vielfalt brauche, an denen das muslimische Leben sichtbar ist. Es könne in der Debatte nicht um Assimilation gehen, sondern um Begegnung und wechselseitige Akzeptanz. Omar Kuntich (Bündnis Malikitische Gemeinde Deutschland e.V.) und Rima Hanano (CLAIM) zeigten in ihren Beiträgen, dass sowohl strukturelle Probleme in den Moscheegemeinden, angesichts finanzieller Engpässe und mangelhafter Personalressourcen, als auch die zunehmende Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft, das muslimische Leben in Deutschland belasten. Ferda Ataman, Unabhängige Beauftragte für Antidiskriminierung, ermutigte in ihren Ausführungen dazu, Diskriminierungen nicht zu akzeptieren, sondern dem Diskriminierungsschutz Geltung zu verschaffen. Im Zwiegespräch zwischen Lamya Kaddor und Nazan Eckes (Moderatorin) wurden sodann zahlreiche Aspekte zu Identität und religiösem Selbstverständnis im Alltag einer sich nicht in der politischen Arena befindlichen Person erläutert.
Im zweiten Panel wurden die gesellschaftlichen Bedrohungen durch den Islamismus stärker in den Blick genommen. Omid Nouripour MdB identifizierte vor allem die Instrumentalisierung der Leiden von Gaza durch Islamist*innen aktuell als wesentlichen Faktor für die Anziehungskraft des Islamismus. Er wies zudem darauf hin, dass vor allem instabile Personen auf der Suche nach Anerkennung und Sichtbarkeit gefährdet seien. Diesen Aspekt unterstrich auch Eren Recberlik, der selbst jahrelang als islamistischer Gefährder galt und inzwischen als Aussteiger Aufklärungsarbeit betreibt, indem er seinen Weg schildert. Auch Prof. Dr. Reinhard Schulze griff diesen Impuls auf und plädierte dafür, dass Politik und Gesellschaft ihr Verhältnis zum Islam normalisieren müssen, wollen sie dem Islamismus etwas entgegensetzen. Hierfür gelte es auch, muslimische Gemeinden in ihrer Bildungsarbeit zu unterstützen. Mit Dr. Christine Jung wurde die Diskussion auch durch die Perspektive des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergänzt. Sie stellte die konkrete Gefährdungslage durch den Islamismus dar.
Im letzten Panel schauten die Expert*innen auf Konzepte erfolgreicher Prävention und Deradikalisierung. Marlene Schönberger MdB führte in das Panel ein. Gemeinsam mit Thomas Mücke (Violence Prevention Network), Mansur Seddiqzai (Gymnasiallehrer) und Dr. Asmaa Soliman (Junge Islam Konferenz) stellten die Diskutant*innen heraus, wie wichtig Präventionsarbeit ist. Dafür sind Fortbildungsmaßnahmen etwa für Lehrer*innen gefragt. Aber auch die Schaffung offener Räume, in denen Personen ungefiltert und authentisch sprechen können, sind essenziell. Dies hob auch Prof. Dr. Naika Foroutan (Humboldt Universität) hervor und plädierte für mehr offene Diskursräume. Zudem machte sie gemeinsam mit Lamya Kaddor deutlich, dass die beiden Konfliktfelder Islamismus und Islamfeindlichkeit nur gemeinsam wirksam bekämpft werden können. Zentral dafür ist die Stärkung und Konsolidierung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, in der alle Gruppen selbstverständlich miteinbezogen werden.
Mit dieser zentralen Einsicht endete das Fachgespräch und hinterließ bei den Zuhörer*innen zahlreiche Impulse und Anregungen.
Uhrzeit | Programm |
16:00 | Begrüßung Lamya Kaddor MdB |
16:05 | Grußwort Britta Haßelmann MdB |
16.15 | Panel 1 : Muslimisches Leben in Deutschland aktiv gestalten Kurze Einführung von Misbah Khan MdB Rima Hanano Omar Kuntich Ferda Ataman |
17:00 | Zwiegespräch – Muslim*in in Deutschland 2024 Nazan Eckes spricht mit Lamya Kaddor MdB |
17.30 | Pause |
17:50 | Panel 2 – Gesellschaftliche Bedrohung durch Islamismus -- Ideologien, Akteure, Strategien Kurze Einführung von Lamya Kaddor MdB Omid Nouripour MdB Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Eren Recberlik Prof. Dr. Reinhard Schulze Dr. Christine Jung |
18:40 | Pause |
19:00 | Panel 3 – Erfolgreiche Prävention und Deradikalisierung – Wie schaffen wir das? Kurze Einführung von Marlene Schönberger MdB Thomas Mücke Mansur Seddiqzai Dr. Asmaa Soliman Schahina Gambir MdB |
19:50 | Ausblick Prof. Dr. Naika Foroutan |
20:10 | Verabschiedung: Lamya Kaddor MdB |