15 Mai 2024

Hybrides Fachgespräch Deutscher Islam zwischen Islamismus und Islamfeindlichkeit

Lamya Kaddor sitzt mit anderen Teilnehmer*innen an einem Tisch und spricht
In einem gut besuchten Fachgespräch diskutierte die grüne Bundestagsfraktion am 15. Mai 2024 mit Akteur*innen des vielfältigen muslimischen Lebens über aktuelle Herausforderungen.
  • Das Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion „Deutscher Islam zwischen Islamismus und Islamfeindlichkeit“ am 15. Mai 2024 hat Akteur*innen des vielfältigen muslimischen Lebens in Deutschland Raum für ihre Themen und Herausforderungen gegeben.
  • Das Gespräch hat aufgezeigt, dass sich der Islam in Deutschland in einem Spannungsfeld zwischen Islamfeindlichkeit und Islamismus befindet. Beides kann nur gemeinsam bekämpft werden.
  • Die große Vielfalt der Gesellschaft muss stärkere Anerkennung erfahren und in offenen Räumen durch Begegnungen gestaltet werden.

Lamya Kaddor MdB, die innenpolitische Sprecherin, hatte für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Fachgespräch eingeladen und führte durch das Gespräch. Sie eröffnete das erste Panel mit der Beobachtung, dass muslimisches Leben in Deutschland noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Statt Anerkennung und Wertschätzung erfahren Muslim*innen oft zahlreiche Formen der Diskriminierung und offene Ablehnung. Diese Beobachtung teilte auch die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann MdB in ihrem Grußwort und unterstrich, dass sich die Demokratie wehrhaft gegen ihre Feinde zeigen und die vielfältige Gesellschaft schützen muss.

Misbah Khan MdB wies in ihrer Einführung darauf hin, dass es Orte der Vielfalt brauche, an denen das muslimische Leben sichtbar ist. Es könne in der Debatte nicht um Assimilation gehen, sondern um Begegnung und wechselseitige Akzeptanz. Omar Kuntich (Bündnis Malikitische Gemeinde Deutschland e.V.) und Rima Hanano (CLAIM) zeigten in ihren Beiträgen, dass sowohl strukturelle Probleme in den Moscheegemeinden, angesichts finanzieller Engpässe und mangelhafter Personalressourcen, als auch die zunehmende Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft, das muslimische Leben in Deutschland belasten. Ferda Ataman, Unabhängige Beauftragte für Antidiskriminierung, ermutigte in ihren Ausführungen dazu, Diskriminierungen nicht zu akzeptieren, sondern dem Diskriminierungsschutz Geltung zu verschaffen. Im Zwiegespräch zwischen Lamya Kaddor und Nazan Eckes (Moderatorin) wurden sodann zahlreiche Aspekte zu Identität und religiösem Selbstverständnis im Alltag einer sich nicht in der politischen Arena befindlichen Person erläutert.

Im zweiten Panel wurden die gesellschaftlichen Bedrohungen durch den Islamismus stärker in den Blick genommen. Omid Nouripour MdB identifizierte vor allem die Instrumentalisierung der Leiden von Gaza durch Islamist*innen aktuell als wesentlichen Faktor für die Anziehungskraft des Islamismus. Er wies zudem darauf hin, dass vor allem instabile Personen auf der Suche nach Anerkennung und Sichtbarkeit gefährdet seien. Diesen Aspekt unterstrich auch Eren Recberlik, der selbst jahrelang als islamistischer Gefährder galt und inzwischen als Aussteiger Aufklärungsarbeit betreibt, indem er seinen Weg schildert. Auch Prof. Dr. Reinhard Schulze griff diesen Impuls auf und plädierte dafür, dass Politik und Gesellschaft ihr Verhältnis zum Islam normalisieren müssen, wollen sie dem Islamismus etwas entgegensetzen. Hierfür gelte es auch, muslimische Gemeinden in ihrer Bildungsarbeit zu unterstützen. Mit Dr. Christine Jung wurde die Diskussion auch durch die Perspektive des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergänzt. Sie stellte die konkrete Gefährdungslage durch den Islamismus dar.

Im letzten Panel schauten die Expert*innen auf Konzepte erfolgreicher Prävention und Deradikalisierung. Marlene Schönberger MdB führte in das Panel ein. Gemeinsam mit Thomas Mücke (Violence Prevention Network), Mansur Seddiqzai (Gymnasiallehrer) und Dr. Asmaa Soliman (Junge Islam Konferenz) stellten die Diskutant*innen heraus, wie wichtig Präventionsarbeit ist. Dafür sind Fortbildungsmaßnahmen etwa für Lehrer*innen gefragt. Aber auch die Schaffung offener Räume, in denen Personen ungefiltert und authentisch sprechen können, sind essenziell. Dies hob auch Prof. Dr. Naika Foroutan (Humboldt Universität) hervor und plädierte für mehr offene Diskursräume. Zudem machte sie gemeinsam mit Lamya Kaddor deutlich, dass die beiden Konfliktfelder Islamismus und Islamfeindlichkeit nur gemeinsam wirksam bekämpft werden können. Zentral dafür ist die Stärkung und Konsolidierung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, in der alle Gruppen selbstverständlich miteinbezogen werden.

Mit dieser zentralen Einsicht endete das Fachgespräch und hinterließ bei den Zuhörer*innen zahlreiche Impulse und Anregungen.

Uhrzeit Programm
16:00

Begrüßung 

Lamya Kaddor MdB
Innenpolitische Sprecherin
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

16:05

Grußwort

Britta Haßelmann MdB
Fraktionsvorsitzende
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

16.15

Panel 1 :  Muslimisches Leben in Deutschland aktiv gestalten 

Kurze Einführung von

Misbah Khan MdB
Mitglied im Innenausschuss
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Rima Hanano
Leitung
CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit

Omar Kuntich
Vorstandsvorsitzender
Bündnis Malikitische Gemeinde Deutschland e.V.

Ferda Ataman
Unabhängige Beauftragte für Antidiskriminierung
Antidiskriminierungsstelle des Bundes

17:00

Zwiegespräch – Muslim*in in Deutschland 2024 

Nazan Eckes
Moderatorin

spricht mit

Lamya Kaddor MdB

17.30

Pause

17:50

Panel 2 – Gesellschaftliche Bedrohung durch Islamismus -- Ideologien, Akteure, Strategien 

Kurze Einführung von

Lamya Kaddor MdB

Omid Nouripour MdB 
stellv. Mitglied im Auswärtigen Ausschuss

Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Eren Recberlik 
"Der Gefährder"
Aussteiger aus der gewaltbereiten islamistischen Szene

Prof. Dr. Reinhard Schulze
Direktor
Forum Islam und Naher Osten an der Universität Bern

Dr. Christine Jung
2. Abteilungsleiterin Islamismus/ islamistischer Terrorismus
Bundesamt für Verfassungsschutz

18:40

Pause

19:00

Panel 3 – Erfolgreiche Prävention und Deradikalisierung – Wie schaffen wir das? 

Kurze Einführung von

Marlene Schönberger MdB
Mitglied im Ausschuss für Bildung und Forschung
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Thomas Mücke
Geschäftsführer
Violence Prevention Network

Mansur Seddiqzai
Gymnasiallehrer u.a. für islamischen Religionsunterricht

Dr. Asmaa Soliman
Programmleiterin der Jungen Islam Konferenz
Leitung des Kompetenznetzwerks Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft
Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa

Schahina Gambir MdB
Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

19:50

Ausblick

Prof. Dr. Naika Foroutan
Direktorin
Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung 

20:10

Verabschiedung: Lamya Kaddor MdB