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WM 2034 in Saudi-Arabien

Zur heutigen Bekanntgabe der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2034 nach Saudi-Arabien durch den FIFA-Kongress erklären Boris Mijatović, Sprecher für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, und Philip Krämer, stellvertretender Vorsitzender und Obmann im Sportausschuss:

Der Prozess zur Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2034 der Männer nach Saudi-Arabien markiert eine ernüchternde Rückkehr zu alten Mustern: fehlende Transparenz, mangelnder Wettbewerb und Hinterzimmerabsprachen, die jede demokratische Kontrolle vermissen lassen. Die heutige Entscheidung ist der traurige Abschluss eines von langer Hand vorbereiteten und inszenierten Spiels. Die FIFA entfernt sich damit erneut von den Prinzipien, die sie nach jahrelanger Kritik an Korruption und Intransparenz zu verfolgen versprach.

Trotz formaler Anforderungen an die Bewerberländer wurden grundlegende Bedenken bei der Vergabe erneut ignoriert. Weiterhin sind Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien ein allgegenwärtiges Problem. Ein Großteil der über 13 Millionen Wanderarbeiter*innen lebt mit eingeschränkten Grundrechten und wird weiterhin systematisch ausgebeutet. Freiheitsrechte wie Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sind in der absoluten Monarchie weitgehend eingeschränkt. Ungeachtet der Fortschritte und gesellschaftspolitischen Reformen der vergangenen Jahre werden Frauenrechte auf vielen gesellschaftlichen Ebenen nur unzureichend berücksichtigt. 

Mit Sorge blicken wir auch auf die Vertreibungen im Stammesgebiet der Howeitat. Dort soll nach Plänen von Kronprinz Mohammed bin Salman in den kommenden Jahren das Megaprojekt Neom gebaut werden – auf Kosten der Menschen vor Ort. Mehrere Mitglieder der Stämme wurden bereits zum Tode verurteilt, weil sie sich weigerten, ihr Siedlungsgebiet zu verlassen. Hier müssen deutsche Firmen ihr Engagement in diesem Projekt angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen überdenken.

Die Verstöße im Arbeitsrecht hat Human Rights Watch in einem detaillierten Report beschrieben: Zwangsarbeit, Lohndiebstahl, gefährliche Arbeitsbedingungen bei extremer Hitze und fehlender Rechtsschutz der Arbeiter*innen auf den WM-Baustellen. Auch andere Menschenrechtsorganisationen kritisieren die prekären Arbeitsbedingungen scharf.

Obwohl die FIFA sich bereits 2017 eine Human Rights Policy gegeben hat, wird sie ihrer Verantwortung weiterhin nicht gerecht. Der vor wenigen Tagen veröffentlichte Evaluationsbericht der FIFA zur WM-Bewerbung Saudi-Arabiens ignoriert die Realität vor Ort und ist unglaubwürdig. In diesem wird die Menschenrechtssituation vor Ort mit „mittlerem Risiko“ bewertet – das widerspricht der tatsächlichen Situation im Land.

Besonders drastisch wirkt der Vorwurf des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 nach. Noch immer besteht der dringende Verdacht, Khashoggi sei entführt und der grausame Mord in einem Konsulat Saudi-Arabiens verübt worden sein. Die Verantwortung für diese Verbrechen wird von Menschenrechtsorganisationen vor allem dem Mann zugerechnet, der heute die FIFA-WM als persönlichen Erfolg feiern kann: Kronprinz und Premierminister Mohammed Bin Salman.

Die FIFA ist nun gefordert, tatsächliche Veränderungen im Austragungsland herbeizuführen. Wir fordern die FIFA auf, innerhalb der nächsten Jahre verbindliche und überprüfbare Standards auf allen Baustellen, die im Kontext der WM stehen, einzuführen. Die FIFA muss sicherstellen, dass alle Arbeiter*innen unter menschenrechtskonformen Bedingungen arbeiten.

Grundsätzlich ist nachvollziehbar, dass der DFB nicht in Fundamentalopposition zu den internationalen Verbänden stehen kann. Dennoch fordern wir eine klarere Positionierung gegen die autoritären und korrupten Vorgänge in der FIFA.

Trotz allem muss es möglich sein, dass Sportgroßveranstaltungen auch außerhalb der westlichen Demokratien stattfinden. Es bedarf klarer Vorgaben bei der Vergabe, die sich an den eigenen Statuten der FIFA als auch der der Vereinten Nationen orientieren müssen. 

Das Problem bleibt: Reformen innerhalb der FIFA sind nur durch Druck von außen möglich. In ihrer dualen Rolle als regulativer Dachverband und als Organisator von Sportgroßveranstaltungen mit wirtschaftlichen Interessen ist die FIFA in sich dysfunktional.