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Zäsur im Deutschen Bundestag

Anlässlich der Zäsur im Deutschen Bundestag nachfolgend Statements der Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann.

Katharina Dröge:
„Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Sie sehen uns heute erschüttert. Aus unserer Sicht ist das ein Einschnitt, eine Zäsur für den Deutschen Bundestag, unser Parlament – und ein schwarzer Tag für unsere Demokratie. 

Wir haben uns als demokratische Fraktionen über viele Jahre hinweg vertrauensvoll aufeinander verlassen. Eine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien im Bundestag war für uns stets ausgeschlossen. Dabei kam es gerade auch auf die CDU als große konservative Partei an. In den vergangenen Jahren hat sie diese Zusage zuverlässig eingehalten. Genau deshalb sind wir heute so erschüttert. Wir haben darauf vertraut, dass diese Vereinbarung gilt – gerade in einer Zeit, in der Rechtsextreme starken Zulauf erhalten.

Wenn es darauf ankommt, muss eine solche Zusage Bestand haben. Doch was heute im Bundestag geschehen ist, hat nur deshalb eine Mehrheit gefunden, weil eine rechtsextreme Fraktion zugestimmt hat. Das war kein Zufall, kein Versehen – es geschah mit Ansage. Es war das Werk von Friedrich Merz und der CDU/CSU.

Sie allein tragen die Verantwortung, weil sie den Dialog mit den demokratischen Fraktionen bewusst nicht gesucht haben. Wir haben bis zuletzt Gespräche angeboten, weil die Herausforderungen real sind. Die aktuellen Zeiten verlangen, dass Demokratinnen und Demokraten gemeinsam Lösungen finden. Sicherheit ist für uns als grüne Bundestagsfraktion ein zentrales Anliegen. Deshalb hatten wir eigene Vorschläge gemacht und waren offen für Gespräche mit der CDU, um mehr Sicherheit für die Menschen in diesem Land zu schaffen – um furchtbare Gewalttaten wie die von Aschaffenburg zu verhindern.

Unser Fokus liegt darauf, diejenigen stärker zu überwachen, die schwere Straftaten begehen. Wenn Gefährder und bekannte Straftäter besser überwacht würden und die Behörden Informationen besser austauschten, hätten Taten verhindert werden können. Darüber hätten wir gerne gesprochen. Doch die Entscheidung heute im Bundestag war nicht nur eine Sachentscheidung – sie war eine Richtungsentscheidung für unser Land.

Es ging auch um unsere politische Debattenkultur. Demokraten beschimpfen sich nicht gegenseitig härter als sie sich mit Rechtsextremen auseinandersetzen. Unter Angela Merkel als Bundeskanzlerin gab es im Bundestag eine sachliche, verlässliche Diskussionskultur. Friedrich Merz hingegen hat ein Angebot vorgelegt, das er als solches bezeichnet – das aber in Wahrheit bedeutet: Er gibt den Kurs vor, und die anderen sollen folgen.

Wir sagen der Union daher unmissverständlich: Dieses Land braucht eine CDU in der demokratischen Mitte. Es braucht eine CDU, die Verantwortung übernimmt. Wir würden Friedrich Merz gerne glauben, aber dafür muss er handeln. Die Brandmauer zur AfD muss wieder stehen. Das ist die Glaubwürdigkeit, die er wiederherstellen muss.

Er muss zusagen, dass so etwas in Zukunft nicht wieder vorkommt – nur dann kann er das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.“

Britta Haßelmann:
„Meine Damen und Herren, dieser Tag ist ein Wendepunkt. Institutionen, Verbände und Kirchen haben Friedrich Merz eindringlich vor diesem Schritt gewarnt. Doch er hat es bewusst in Kauf genommen, dass Mehrheiten jenseits der demokratischen Mitte entstehen.

Wir stehen hier heute vor einem Kanzlerkandidaten der Union, der Vertrauen gebrochen hat. Vor einem Fraktionsvorsitzenden, der uns nach dem Bruch der Koalition im November zugesichert hatte, dass es weder Zufallsmehrheiten noch gewollte Mehrheiten jenseits der demokratischen Fraktionen geben werde. Dieses Versprechen ist heute wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen.

Diese Zusage hat er nicht nur uns gegeben, sondern am 13. November in der Aussprache zur Regierungserklärung des Kanzlers auch der Öffentlichkeit. Heute ist dieses Versprechen gebrochen worden – und das Parlament zahlt den Preis dafür. Doch auch die CDU/CSU wird einen hohen Preis zahlen.

Denn wer heute die Reaktionen der AfD beobachtet hat, weiß, wie es künftig laufen wird: Friedrich Merz wird zum Getriebenen. Seine CDU/CSU wird nicht in der Offensive sein, sondern getrieben von der AfD. Dabei trägt dieser Antrag in der Sache nichts zu Lösungen bei – insbesondere nicht zur Bekämpfung furchtbarer Gewalttaten wie in Aschaffenburg.

Er beantwortet keine der zentralen Fragen zur Sicherheit: Wie schließen wir Vollzugsdefizite? Wie verbessern wir die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen? Wie unterstützen wir die Kommunen bei der Integration und der Arbeit mit Geflüchteten? Auf all diese Fragen gibt es in diesem Antrag keine Antwort.

Politik ist kein Spiel. Wir kennen das von Christian Lindner, und jetzt hören wir es von Friedrich Merz. Mich stößt das ab. Wir sind hier in der Herzkammer der Demokratie. Wir arbeiten auf der Grundlage des Grundgesetzes für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

Und wir sollten den Menschen in diesem Land klar sagen: Wir tun das für sie – für euch alle. Viele wünschen sich eine politische Kraft, die mit Verstand, Herz und Menschlichkeit die Herausforderungen angeht. Doch Friedrich Merz hat sich heute offenkundig aus diesem Kreis verabschiedet.“