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Anlässlich der Zusammenkunft der alten und neuen Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen erklären Britta Haßelmann und Katharina Dröge:
Britta Haßelmann:
„Der Wahlkampf war geprägt von großer Polarisierung. Mit Blick auf die anstehende Legislaturperiode, die nächsten vier Jahre, müssen alle zu einem Umgang des Respekts und der gegenseitigen Würdigung bei aller Unterschiedlichkeit zurückfinden. Die Stärke der AfD im Parlament ist besorgniserregend, und wir wissen, dass wir die Integrität des Parlaments sichern und wahren müssen. Die extreme Rechte agiert seit Jahren so, das Parlament, die Verfassungsorgane, den Deutschen Bundestag, die Mitglieder des Bundestages verächtlich zu machen und abzuwerten. Wir tragen alle eine Verantwortung im Parlament – in Kenntnis der unterschiedlichen Auffassungen der demokratischen Kräfte –, die Rede, die Gegenrede, die Auseinandersetzung, das Ringen um die beste Idee und die Konzepte für die Zukunft zu finden. Aber dies alles mit dem nötigen Respekt. Im Wahlkampf ging es oft um Spaltung statt um Zusammenhalt. Das muss sich ändern, denn in dieser Polarisierung liegt keine Zukunft. Wenn wir sehen, dass im Deutschen Bundestag die AfD in dieser Stärke eingezogen ist, wissen wir, dass einerseits das Eintreten für Demokratie und Freiheit und Rechtsstaatlichkeit und andererseits die inhaltliche Auseinandersetzung zwingend notwendig sind.
Darüber hinaus blicke ich mit etwas Sorge auf den geringen Frauenanteil im Deutschen Bundestag: 32,4 Prozent. Damit ist nicht die Hälfte der Gesellschaft repräsentiert. Für mich ist vollkommen klar, Frauen werden keine Nebenrolle einnehmen und sich damit auch nicht abfinden. Gleichstellung und die Gleichberechtigung von Frauen ist in vielen gesellschaftlichen Fragen noch nicht erreicht. Ob die ungleiche Bezahlung von Frauen, die immer noch für gleichwertige Arbeit weniger Lohn verdienen, die Frage des Paragrafen 218 oder viele andere gleichstellungspolitische Herausforderungen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, all das werden zentrale Fragen der Zukunft sein. Und wir sehen gerade in der Aufstellung bei Schwarz-Rot sehr viele Männer. Deshalb ist klar: Das Eintreten für die Gleichberechtigung, für die Gleichstellung von Frauen wird bei uns ein zentrales Thema in der Auseinandersetzung in den nächsten Jahren sein.“
Katharina Dröge:
„Die Rolle, in der wir uns in dieser Legislaturperiode befinden, ist eine andere als in der letzten. Wir sagen es ganz offen: Wir Grünen wären sehr gerne auch in dieser Legislaturperiode Teil einer Bundesregierung gewesen, weil wir überzeugt davon sind, dass das, was wir vertreten, auch Realität werden muss in diesem Land. Der stärkste Hebel dafür ist Regierungsverantwortung. Als Fraktionsvorsitzende sagen wir: Wir sind stolz auf das, was unsere Fraktion, was die Grünen in den letzten gut drei Jahren in dieser Bundesregierung erreicht haben. Aber wir haben auch eine lange Erfahrung damit, wie man auch aus der Opposition heraus Dinge verändert und bewegt. Deswegen ist unsere ganz klare Aussage auch ein Stück weit eine Ansage an CDU und SPD: Sie können sich darauf verlassen, dass Sie mit uns eine Opposition haben, die Sie fordern wird. Wir werden CDU und SPD insbesondere mit Blick auf den Klimaschutz fordern. Wir werden nicht zulassen, dass CDU und SPD sich einfach mal so miteinander darauf verständigen, dass wieder vier Jahre lang Stillstand in unserem Land beim Thema Klimaschutz herrscht. Oder schlimmstenfalls, dass Friedrich Merz sich auch noch durchsetzt und ernst macht damit, rückabzuwickeln, was wir in den letzten drei Jahren beim Ausbau der Erneuerbaren, im Verkehrsbereich, in der Industrie geschafft haben. Überall hat Friedrich Merz sich ja mit einem Rückschrittprogramm beworben. Da sagen wir ganz klar: Wir werden Ihnen das Leben schwer machen. Wenn Sie wirklich vorhaben, Klimaschutz in diesem Land rückabzuwickeln, dann wird es einen parlamentarischen Widerstand dagegen geben, dann wird es eine klare Auseinandersetzung mit uns geben, weil die Zukunft unserer Kinder hier zur Debatte steht. Auch die Zukunft unserer Wirtschaft steht hier zur Debatte, wenn Friedrich Merz das ernst meint. Es geht um die Sicherheit von Millionen von Jobs in diesem Land, es geht um die Sicherung von Wohlstand. Und die beiden Themen hängen davon ab, dass man innovativ ist, dass man in die Zukunft investiert – und die Zukunft sind klimaneutrale Technologien. Deswegen werden wir miteinander darum ringen, auch aus der Opposition heraus, wie der Kurs dieses Landes in Zukunft ist.
Das Zweite ist: Friedrich Merz hat schon im Bundestagswahlkampf gezeigt, dass er eigentlich nicht geeignet ist für die Rolle eines Kanzlers. Er hat einen sehr erratischen Kurs vorgegeben, einen Kurs, wo er ständig seine Meinung gewechselt hat, und auch einen Kurs, wo auf eklatante Art und Weise deutlich geworden ist, dass er auch nicht vorbereitet war auf die Aufgabe, die jetzt wahrscheinlich vor ihm liegt. Am Tag zwei nach der Bundestagswahl zeigt sich genau das, was wir schon im Wahlkampf befürchten mussten, und sinnbildlich dafür ist die Diskussion um die Reform der Schuldenbremse. Wir als Grüne und auch die SPD haben in den letzten drei Jahren immer wieder mit der Union darüber gesprochen, dass wir die parlamentarischen Mehrheiten der vergangenen Legislaturperiode hätte nutzen müssen, um gemeinsam zu einer Reform der Schuldenbremse zu kommen. SPD, CDU und Grüne hatten eine Zweidrittelmehrheit, um das zu tun, was notwendig ist. Es war zu erwarten und ist trotzdem bitter, dass Friedrich Merz allein aus parteitaktischem Kalkül diese Reform in den letzten drei Monaten nicht mit uns gemacht hat, weil er am Ende kein Signal der Zusammenarbeit wollte, weil er am Ende kein Signal wollte, dass Demokraten sich gemeinsam auf gute Dinge miteinander verständigen können. Jetzt haben wir Chaos, das die CDU an dieser Stelle zu verantworten hat. Denn natürlich braucht es weiterhin eine Reform der Schuldenbremse. Die braucht es für die Sicherheit Deutschlands, für die Sicherheit in Europa. Gerade angesichts der außenpolitischen Schwierigkeiten, in denen wir uns befinden, gerade angesichts der herausfordernden sicherheitspolitischen Lage wäre es notwendig, sich auf eine Reform der Schuldenbremse zu verständigen. Aber wir sagen auch klar: Dabei kann man es nicht belassen. Wenn man diesen Wirtschaftsstandort sichern will – und wir wollen das –, dann muss eine Reform der Schuldenbremse so ausgestaltet sein, dass sie auch Investitionen in die Wirtschaft, Investitionen in unsere Infrastruktur und Investitionen in den Klimaschutz ermöglicht. Die CDU scheint selbst nicht so richtig zu wissen, was sie gerade will. Thorsten Frei als Parlamentarischer Geschäftsführer widerspricht seinem Parteivorsitzenden einen Tag, nachdem er sich geäußert hat. Das heißt, wir wissen aktuell nicht, was die Union will. Unsere Aussage ist aber klar: Wir haben ein Konzept, wir haben klare Vorstellungen, wir sind handlungsbereit, aber wir werden diesen Prozess daran messen, dass das Richtige passiert.
Ein letzter Punkt: Heute kommt die alte Bundestagsfraktion noch einmal mit der neuen zusammen, und morgen tagt dann erstmals die neue Bundestagsfraktion. Mit Blick darauf wird sich der bisherige Fraktionsvorstand, das ist eine unserer üblichen Regularien, geschäftsführend bestätigt werden. Dann beginnt der Konstituierungsprozess der Bundestagsfraktion, und am Ende steht dann die Wahl des neuen Fraktionsvorstandes, der dann die grüne Bundestagsfraktion über diese Legislatur leitet.“