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Debatten um Sondervermögen und Schuldenbremse
Anlässlich der Debatten um Sondervermögen und Schuldenbremse nachfolgend Statements der Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann und der Parteivorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak:
Katharina Dröge:
„Wir stehen heute gemeinsam als Fraktionsvorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion und als Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, weil wir beide in unseren Gremien, im Fraktionsvorstand und im Bundesvorstand, intensiv beraten haben, wie wir als Grüne mit den drei von Union und SPD vorgeschlagenen Grundgesetzänderungen umgehen wollen.
Unsere Position ist klar: Wir empfehlen den Abgeordneten der Grünen Bundestagsfraktion, diesen Änderungen nicht zuzustimmen. Das gilt ebenso für die Punkte, die Friedrich Merz auf die Mobilbox meiner Kollegin Britta Haßelmann gesprochen hat.
Diese Vorschläge werden der aktuellen Lage im Land nicht gerecht. Seit Jahren setzen wir uns für eine Reform der Schuldenbremse ein, um notwendige Investitionen in Wirtschaft, Klimaschutz und Zukunftstechnologien zu ermöglichen. Wir haben in den letzten Tagen gelernt, dass insbesondere Friedrich Merz in der Lage ist, den Menschen in diesem Land nicht nur einmal, sondern zweimal nicht die Wahrheit zu sagen. Er hat vor der Bundestagswahl sehr klar gesagt, dass er es nicht für notwendig hält, solche Investitionen über Kredite zu finanzieren, und hat das wenige Tage nach der Wahl in einem beachtlichen Maße an Unverfrorenheit direkt wieder eingesammelt. Wir haben aber auch gelernt, dass Friedrich Merz den Menschen vorschlägt, ein Sondervermögen für Infrastruktur einzurichten, wo die Infrastruktur nur im Namen vorkommt. Mit diesem Sondervermögen von Union und SPD würde kein einziger Euro mehr an Investitionen in Deutschland finanziert werden. Stattdessen schaffen Union und SPD sich mit diesem Vorschlag eine haushaltspolitische Schatzkiste. Von uns wollen sie die Zustimmung für ihr Spielgeld, was sie dann ausgeben können, um es beispielsweise in Steuersenkungen zu stecken, in eine Reform der Pendlerpauschale, in eine Reform des Agrardiesel, möglicherweise auch in eine Reform oder Abschaffung des Soli.
Und wir sagen ganz klar: Union und SPD können sich als künftige Regierungsfraktionen auf Dinge verständigen, wie sie das möchten. Wir sind nicht Teil dieser Bundesregierung, diese Koalition werden die beiden miteinander verhandeln. Das ist ihr gutes Recht, über Dinge zu entscheiden, wie sie wollen. Wenn sie aber unsere Zustimmung haben wollen für eine Grundgesetzänderung, dann messen wir das an den Fragen, die wir für richtig halten. Und wer für uns eine Zustimmung haben möchte für mehr Investitionen, der muss auch zeigen, dass es tatsächlich um mehr Investitionen geht in Klimaschutz, mehr Investitionen in die Wirtschaft. Wir stehen mit Sicherheit nicht für Spielgeld zur Verfügung und deswegen werden wir diesen Vorschlägen nicht zustimmen.
Der neue Deutsche Bundestag hat Mehrheiten, die es ermöglichen, die Schuldenbremse strukturell zu reformieren. Auch die Linken haben an dieser Stelle ihre Zustimmung signalisiert. Und deswegen gibt es eine Möglichkeit für eine ordentliche Reform der Schuldenbremse. Dafür stehen wir zur Verfügung und dieses Verfahren sollten wir jetzt beginnen.“
Britta Haßelmann:
„Bei dieser großen Operation mit drei Grundgesetzänderungen ist es sehr ratsam, wenn man sich demokratischer Mehrheiten versichert. Seit mindestens drei Wochen sagen wir Grünen das insbesondere Friedrich Merz aber auch der SPD. Wir raten auch dazu, nicht nur mit Bündnis 90/Die Grünen, sondern auch das Gespräch mit der Linken zu suchen. Denn ein neuer Deutscher Bundestag der 21. Wahlperiode würde doch am besten über so grundlegende Fragen entscheiden. Herr Merz hat sich für einen anderen Weg entschieden, zusammen mit Herrn Söder und der SPD. Er hat vor gut einer Woche verkündet: Dieses Paket wird unverändert in den Deutschen Bundestag eingebracht. Das ist die Vorstellung von CDU/CSU und SPD. Was er dabei übersehen hat, ist, dass man für eine solche Operation Zwei-Drittel-Mehrheiten braucht. Wer diese Mehrheiten braucht, sollte nicht einfach nur an staatspolitische Verantwortung appellieren. Diesen Appell brauchen wir im Übrigen nicht, denn staatspolitische Verantwortung besitzen wir. Verantwortung für dieses Land haben wir in den letzten Jahren in der Regierungsbeteiligung übernommen und in vielen Jahren davor, wenn ich an zentrale, weitreichende Entscheidungen im Deutschen Bundestag denke. Hier braucht niemand von Bündnis 90/Die Grünen Belehrung, weder von Friedrich Merz noch von Markus Söder.
Das Wichtige ist, dass es in der Sache für uns stimmt. Und deshalb ist klar: Diesem Gesetzentwurf werden wir keine Zustimmung erteilen. Der Bereich Sicherheit, Frieden und Verteidigung kommt komplett zu kurz: Hier findet eine klassische Orientierung ausschließlich auf den Bereich der Verteidigung und der Bundeswehr statt. Dabei wissen wir nicht erst seit gestern: Wir brauchen eine umfassende Strategie für Krisenresilienz, Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit– auch mit Blick auf unsere Unterstützung für die Ukraine. Das muss sich auch in einer Grundgesetzänderung wiederfinden.
Herr Merz, Herr Söder und auch Herr Klingbeil sollten wissen, dass ein Appell an die staatsbürgerschaftliche Verantwortung nicht ausreichen. Entweder gibt es eine Verständigung auf ein Paket oder Sie können versichert sein, wir werden einen Gesetzentwurf mit Blick auf die Verteidigung, auf die Frage der Krisenresilienz, die Sicherung des Friedens in Europa einbringen.“
Franziska Brantner:
„Auch im Namen des Bundesvorstands möchten wir klar artikulieren: Diese Gesetzesentwürfe, diese Vorschläge sind zurückzuweisen, sie sind nicht zustimmungsfähig. Wir stehen zur Verantwortung für unser Land. Aber wir stehen nicht zur Verfügung, die Wahlversprechen von CDU und SPD über Schulden zu finanzieren. Wir sehen, dass eine Schuldenbremsen-Reform nötig ist. Ich kenne auch kaum einen mehr in diesem Land, der das nicht so sieht. Die Deutsche Bundesbank und alle relevanten Ökonomen sind der festen Überzeugung, dass wir eine wirkliche, eine nachhaltige Reform der Schuldenbremse brauchen. Und erlauben Sie mir als Baden-Württembergerin zu sagen: Wolfgang Schäuble würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, wie seine Partei die Schuldenbremse reformieren will, um Steuergeschenke damit zu finanzieren. Das ist nicht unser Ansinnen. Uns geht es um eine nachhaltige, um eine wirkliche Reform der Schuldenbremse, die unserem Land nicht nur die Sicherheit ermöglicht, sondern auch eine zukunftsfähige Infrastruktur, eine gute Klimainfrastruktur, die dieses Land voranbringt, anstatt zu versuchen, existierende Probleme in diesem Land und vor allen Dingen die Widersprüche, die es zwischen CDU und SPD offensichtlich gibt, mit Geld zuzukleistern. Das ist keine Art der Schuldenbremse-Reform, wie wir sie anstreben.
Zweiter Punkt Klima: Wenn Friedrich Merz bei Frau Haßelmann auf dem Anrufbeantworter sagt: Man kann auch irgendwo das Wort Klima vielleicht noch in einer Begründung nennen – dann hat er, glaube ich, noch nicht verstanden, dass wir das mit den Klimazielen in Deutschland ernst meinen und der festen Überzeugung sind, dass wir hierfür auch Investitionen brauchen, die konkret unseren Klimaschutz voranbringen und uns die Ziele auch erreichen lassen. Das ist eine große Aufgabe. Und sie wird vor allen Dingen auch über die Länder, die Kommunen stattfinden. Auch das ist uns wichtig, dass wir klar an der Seite der Kommunen stehen, die sagen: Wir brauchen hierfür Unterstützung. Wir wollen nicht alleine gelassen werden. Denn am Ende, wenn es so kommt, wie CDU und SPD vorsehen, gehen die Schulden eben nicht zu den Kommunen, nicht in die Brücken vor Ort, nicht in die Schulen vor Ort, sondern in Steuergeschenke. Wir sind die Kraft, die dort klar an der Seite der Kommunen steht, weil dort entsteht Demokratie, dort wird Klimaschutz umgesetzt. Wir werden sie nicht im Stich lassen.“
Felix Banaszak:
„Man muss es so deutlich sagen: Union und SPD haben sich ihre Einigung „du kriegst dies, wir kriegen das“ auf Kosten eines Finanzpakets erarbeitet, das ohne Zustimmung der Grünen nicht umsetzbar ist. Also die Koalitionsbildung hängt daran, dass wir hier eine gemeinsame Perspektive in den nächsten Tagen finden. Deswegen möchte ich unterstreichen: Für diesen Weg stehen wir nicht zur Verfügung. Wir stehen nicht zur Verfügung für einen politischen Stil, der wiederholt daraufsetzt, etwas zu vereinbaren, es im Nachgang denen vorzulegen, die man braucht, um es umzusetzen, und dann zu sagen: Die Grünen müssen ja am Ende sowieso zustimmen. Und wir stehen auch nicht zur Verfügung in der Sache, Schulden nicht für Investitionen, sondern die Investitionen in die Sondervermögen auszulagern, um Spielraum für andere Dinge zu schaffen, die mit Zukunft überhaupt nichts zu tun haben. Auch für diesen Weg stehen wir nicht zur Verfügung. Und wenn jetzt das Kalkül von Herrn Merz, Herrn Söder und Herrn Klingbeil ist, dass die Grünen am Ende mit Blick auf die Bedrohungslage durch Wladimir Putin im Kreml und ehrlicherweise ja auch Donald Trump im Weißen Haus sowieso zustimmen müssen, dann begegnen wir dem so, wie Britta Haßelmann es dargestellt hat: Wir schlagen gemeinsam mit der Grünen Bundestagsfraktion vor, für die Fragen der Sicherheit, der Verteidigungsfähigkeit und damit der Friedenssicherung für Deutschland einen eigenen Gesetzentwurf jetzt ins Verfahren einzubringen. Das Ziel ist, am Ende zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Aber den Einigungsdruck und die Notwendigkeit, jetzt einen Schritt auf andere zuzugehen, sehen wir bei Friedrich Merz, Markus Söder und Lars Klingbeil.
Und in der Tat ist es ja so: Die aktuelle Situation ist nicht vom Himmel gefallen. Wir haben seit dem 6. November nach der Wahl von Donald Trump und ja sogar schon im Vorfeld immer wieder gewarnt: Wenn sich in den USA ein Regierungswechsel ergibt, bedeutet das eine neue Aufgabe für Deutschland und Europa, selbst für die eigene Sicherheit zu sorgen und auch Geld dafür bereitzustellen. Wenn Friedrich Merz und andere jetzt sagen: Da hätte ja niemand mit rechnen können und wir haben eine Zäsur durch den Auftritt Donald Trumps gegenüber Herrn Selenskyj im Weißen Haus, dann ist das offensichtlich unehrlich und unredlich. Es war absehbar, dass Deutschland mehr Geld investieren muss in die eigene Verteidigungsfähigkeit und in die Sicherheit. Und jetzt mit dieser außen- und sicherheitspolitischen Notwendigkeit die Grünen, man muss es so sagen, zu einer Zustimmung zu Falschem zu erpressen, diesem Kalkül erteilen wir eine deutliche Absage. Für ernsthafte Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit stehen wir zur Verfügung. Und deswegen werden wir jetzt entsprechend in die nächsten Tage gehen. Vielen Dank.“