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23.04.2020

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In Zeiten von Quarantäne und Kontaktbeschränkungen wird die Frage nach der Wohnung existenziell, ja elementar. Wohnen ist in der Krise systemrelevant, und die Coronapandemie verschärft die soziale Situation auf den Wohnungsmärkten. Sinkende Einkommen und stagnierende Mieten werden dazu führen, dass am Ende diejenigen, die schon jetzt von den Wohnkosten überlastet sind, noch stärker belastet sind. Jeder 15. Mieterhaushalt in Deutschland gibt aktuell an, dass er nicht in der Lage ist, die Miete zu zahlen, rund jeder 6. Haushalt sagt, dass er es in Zukunft nicht kann, wenn die Krise länger andauert. Das sind brutale Existenzängste, die im Augenblick ausgelöst werden. Das ist Gift für den sozialen Zusammenhalt. Deswegen ist das, finde ich, was wir heute hier beraten, ganz ehrlich, viel zu wenig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ja, wir Grüne tragen diesen Gesetzentwurf mit; das ist eine Vereinbarung aus dem letzten Dezember. Aber wenn man das Wohngeld jetzt anpackt, hätte man angesichts der Coronapandemie noch mal etwas drauflegen müssen. Wir stehen auch zu den Vereinbarungen, die wir getroffen haben. Wir hätten uns einen höheren CO-Preis gewünscht. Wir hätten uns gewünscht, dass wir die sozialen Kosten anders verteilen, nämlich über ein grünes Energiegeld pro Kopf. Das wäre sozial gerechter und zielgenauer gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wir hätten nicht nur 15 Euro für 3 Prozent der Haushalte in Deutschland bereitgestellt.

Wenn wir vertragstreu sind, erwarten wir das auch von Ihnen. Bei den Verhandlungen ging es ja nicht nur um das Wohngeld und um die Pendlerpauschale; es ging ja auch um die Erhöhung des CO-Preises. Ich glaube, hier muss die Große Koalition endlich liefern. Für uns Grüne ist klar: Gerade beim nationalen Emissionshandel müssen wir jetzt das Zeichen setzen, dass wir nach der Coronakrise anders wirtschaften als davor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Gesetzentwurf ist zu wenig – ich habe es schon gesagt –; das Wohngeld braucht viel mehr. Kollegin Lay hat gesagt, man müsse eine Klimakomponente beim Wohngeld einführen; das ist richtig. Mit der Heizkostenkomponente wird heute ja nur ein kleiner Schritt gemacht. Eigentlich bräuchte es jetzt einen Erwerbstätigenfreibetrag, damit wir die Menschen nicht alle in die Grundsicherung drücken, also in Hartz IV. Vielmehr müssten wir das Wohngeld erweitern; das wäre sinnvoll gewesen. Die entsprechenden Vorschläge liegen auf dem Tisch. Sie haben leider nicht die Kraft gehabt, sie einzuführen. Das wäre notwendig gewesen, um den Menschen klarzumachen: Das Wohngeld ist ein Sicherungssystem, das jetzt in der Krise wirklich hilft.

Sie haben wirtschaftspolitisch die Bazooka rausgeholt und viele Milliarden Euro in den Markt gedrückt. Ich glaube, das ist richtig. Beim Wohnen hätten wir das auch machen müssen. Wir hätten deutlich mehr drauflegen müssen als die Beträge, die wir heute beschließen. Ich finde es sehr schade, dass das nicht gelungen ist.

Zum Schluss möchte ich sagen: Werte Kollegin Nissen, wenn Sie wirklich gewollt hätten, dass alle Mieterinnen und Mieter in Deutschland von der Mietpreisbremse profitieren, dann hätten wir gemeinsam auf Bundesebene – so haben wir es ja auch damals beantragt – eine bundesweit einheitliche Regelung zu den Mietpreisbremsen beschließen können. Dann würde sie nämlich überall gelten, und wir hätten auch nicht die Probleme, die wir in vielen Bundesländern gerade haben, nämlich zum Beispiel in Ländern, wo die Mietpreisbremse zwar gesetzlich eingeführt ist, aber nicht gilt, weil sie gerichtlich beklagt wird. Wir hätten eine deutschlandweit einheitliche Regelung beschließen müssen. Das liegt in der Verantwortung der SPD. Deswegen ertrage ich es, ehrlich gesagt, manchmal nicht, dass Sie an einem solchen Tag aus taktischen Gründen immer wieder mit dem Finger auf uns Grüne zeigen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP] – Ulli Nissen [SPD]: Das musst du aber ertragen können!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Christian Kühn. – Nächste und letzte Rednerin in dieser Debatte: Dr. Weisgerber für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)