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13.05.2022

Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, mit Ihrem Antrag haben Sie gleich mehrere alte Kamellen aus der Schublade gekramt – das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner Ihnen schon eindrücklich dargelegt –: mehr Überwachung von Kommunikation, gerne auch von Minderjährigen, Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichen Initiativen etc. pp.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Kirchen!)

Das kann man alles nachlesen. Aber wenn wir auf die letzten 16 Jahre zurückblicken, dann können wir feststellen, dass diese Zeit gerade nicht von einem erfolgreichen Kampf gegen Extremisten und Staatsfeinde geprägt war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Peggy Schierenbeck [SPD])

Ganz im Gegenteil: Man könnte sogar von einer Wohlfühlzeit für Rechtsextreme und Islamisten sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ria Schröder [FDP])

Der nicht verhinderte Anschlag auf dem Breitscheidplatz, der NSU, die Anschläge in Halle und Hanau, der Mord an Dr. Walter Lübcke, die massive rechtsextreme und islamistische Vernetzung: All das fand unter den Augen der Sicherheitsbehörden statt, als Sie von der Union Verantwortung getragen haben.

Wenn man sich jetzt Ihren Antrag anschaut, dann fragt man sich schon, warum Sie zum Beispiel all die Aktionspläne, die Sie jetzt vollmundig fordern, die übrigens völlig inhaltsleer sind, nicht schon früher erarbeitet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Denn die Sicherheitsprobleme, mit denen wir es aktuell zu tun haben, sind doch nicht neu; die sind doch jetzt nicht plötzlich nach der Bundestagswahl vom Himmel gefallen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Da hat sie recht!)

Ich kann Ihnen die vielen Anträge, Kleinen Anfragen und unzähligen Debatten hier im Deutschen Bundestag gar nicht aufzählen. In etlichen Untersuchungsausschüssen haben wir fast schon verzweifelt versucht, Sie wachzurütteln, meine Damen und Herren. Aber stattdessen haben Sie sich an Instrumente geklammert, die entweder verfassungswidrig sind, wie Sie es regelmäßig bescheinigt bekommen haben, oder völlig nutzlos waren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und genau das machen Sie jetzt weiter. Sie sind inhaltlich leergelaufen, meine Damen und Herren.

Ein Wechsel an der Spitze des Innenministeriums war dringend nötig. Im Koalitionsvertrag beschäftigen wir uns intensiv mit der Aufarbeitung der Sicherheitspolitik der letzten Jahre. Die enorme Bedeutung der Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und jegliche Formen der Demokratiefeindlichkeit wurde einfach viel zu lange von Ihnen verkannt. Wir sehen das schon lange und haben Sie auch immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Sicherheitsprobleme ohne die wichtige Arbeit zivilgesellschaftlicher Initiativen nicht zu lösen sind. Radikalisierungsspiralen durchbricht man eben nicht mit der Überwachung Minderjähriger, mit ausufernder Kommunikationsüberwachung oder mit Extremismusklauseln in Förderanträgen, sondern mit erprobten Deradikalisierungsprogrammen und vernünftiger Prävention.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Know-how ist vorhanden; wir müssen es nur besser nutzen.

Mit dem Demokratiefördergesetz werden wir die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Initiativen strukturell absichern und damit den Kampf gegen Demokratie- und Menschenfeindlichkeit massiv stärken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe nicht nur im NSU-Untersuchungsausschuss, sondern mit vielen hier anwesenden Kollegen – mit Herrn von Notz, mit Martina Renner, mit Benjamin Strasser – auch im Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz mitgearbeitet. Angesichts Ihrer nicht erfolgten Aufklärung in diesem Zusammenhang kann ich nur sagen: Was Sie, Herr Throm, sich hier gerade getraut haben, ist schon wirklich stark, wenn man Ihr Engagement in diesem Untersuchungsausschuss Revue passieren lässt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben uns in diesen Ausschüssen wirklich intensiv mit extremistischen Bedrohungen und auch mit der Vernetzung befasst, aber vor allem mit der extrem reformbedürftigen Sicherheitsarchitektur.

(Zuruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])

Die Ampelkoalition geht das jetzt an. Wir werden die Sicherheitsarchitektur einer Gesamtbetrachtung unterziehen und die Arbeit auf allen Ebenen effektiver machen. Wir werden die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden stärken, die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit verbessern und mit einer Gesamtstrategie aus Prävention, Deradikalisierung und effektiver Gefahrenabwehr die Extremismusbekämpfung entscheidend voranbringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir werden uns weiter wissenschaftlich mit der Radikalisierung von sogenannten Querdenkern befassen – eine absolute Notwendigkeit angesichts der hohen Gewaltbereitschaft und der massiven Desinformationskampagnen, die wir seit Beginn der Pandemie erleben. Und jetzt sehen wir, wie die gleichen Verschwörungsideologen mit den Putin-Verstehern mitlaufen. Das darf jetzt nicht aus dem Blick geraten, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Noch eine Bemerkung zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union: Ihr ehemaliger Bundesinnenminister Horst Seehofer hat erkannt, dass vom Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Demokratie ausgeht; das haben Sie auch in Ihrem Antrag geschrieben, bevor das große Aber kommt. Tun Sie sich und uns allen einen Gefallen: Fallen Sie mit Ihrer Hufeisenlogik nicht hinter diese Erkenntnis zurück, sondern unterstützen Sie uns jetzt bei dem, was zu tun ist.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Mihalic. – Als nächste Rednerin erhält das Wort die geschätzte Kollegin Petra Nicolaisen, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)