Rede von Johannes Wagner Pflege

Johannes Wagner MdB
15.05.2024

Johannes Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Diana Stöcker, auch von mir alles Gute für Ihren neuen Job als Oberbürgermeisterin!

In Ihrem Antrag schreiben Sie ja viel über Prävention und Gesundheitsförderung. Darauf will ich jetzt ein bisschen allgemeiner eingehen; denn beim Thema Prävention fällt auf, dass einige Menschen gern das Wort „Eigenverantwortung“ anführen. Sie sagen dann Dinge wie: Jeder Mensch ist selbst verantwortlich dafür, wie viel er isst, was er isst, wie viel er sich bewegt und wie er seinen Stress reduziert. Dabei ist doch klar, dass gesundes Essen, Bewegung und Auszeiten Privilegien sind, die nicht allen Menschen gleich zur Verfügung stehen. Ein Kind, das in Armut aufwächst und dessen Eltern sich ausgewogenes Essen nur schwer leisten können, die Rentnerin in der Großstadt, die zu Recht Angst hat, auf nicht gesicherten Fahrradwegen zu fahren, und deswegen auf das Auto umsteigt, oder die alleinerziehende Mutter, die nicht mal eben so ihre Arbeitszeit reduzieren kann, um weniger gestresst zu sein:

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Tina Rudolph [SPD])

Das sind Beispiele, die zeigen, dass ein gesundes Leben eben nicht nur vom eigenen Verhalten abhängt. Das belegen übrigens auch zahlreiche Statistiken, wie zum Beispiel diese hier: Ein Mann mit niedrigem Einkommen stirbt in Deutschland ganze zwölf Jahre früher als ein Mann mit hohem Einkommen. In unserem Land!

(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [Die Linke])

Das können wir so nicht hinnehmen, und die politische Antwort kann ja nicht sein: Wer zwölf Jahre länger leben möchte, muss sich eben selbst darum kümmern. Ich sage: Nein. Unsere Aufgabe als Politik ist es, die Welt so zu gestalten, dass alle Menschen gut und gesund leben können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn ich mir Ihren Antrag angucke, liebe Union, muss ich sagen: Ich bin ziemlich überrascht; denn Sie selbst erkennen darin, dass Gesundheit sehr eng mit Ernährung, Bewegung, sozialer Gerechtigkeit verknüpft ist. Man sagt ja so schön: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Einsicht haben Sie. Aber ich frage Sie: Wo bleibt Ihre Besserung? Fördert Ihre vorgeschlagene Agrarpolitik eine gesunde Ernährung?

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Ihr seid in der Regierung!)

Schafft Ihre Blockade beim Ausbau von Radwegen Anreize für mehr Bewegung?

(Beifall der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Peggy Schierenbeck [SPD])

Glauben Sie im Ernst, dass Ihre konservative Sozialpolitik für mehr Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit sorgt?

(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

Liebe Union, wählen Sie doch beim nächsten Mal gleich direkt Grün. Dann erreichen Sie Ihre eigenen Ziele besser.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Martin Sichert [AfD]: Das stimmt! Da hat er recht!)

Gestatten Sie mir eine letzte Anmerkung. Was in Ihrem Antrag vollkommen fehlt, das ist die größte Herausforderung für die Gesundheit im 21. Jahrhundert: die Klimakrise.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Aha! – Jörn König [AfD]: Aha! Bingo!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was bringt es, dem einzelnen Bürger zu sagen, was er essen soll oder wie er sich bewegen soll, wenn wir die Rahmenbedingungen nicht angehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu zähle ich insbesondere auch die Klimakrise.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Verbieten!)

Mit Ihrer Politik, liebe Union, bleibt Prävention weiterhin nur ein Tropfen auf einen ohnehin schon viel zu heißen Stein.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Erich Irlstorfer hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion, für noch zwei Minuten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU]: Wir schicken unseren Asketen ins Rennen!)