Rede von Johannes Wagner Nachhaltigkeit und Klima

Johannes Wagner MdB
29.09.2022

Johannes Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Brinkhaus, Ihre Rede war sehr laut und durchaus engagiert, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ihre Politik in den letzten Jahren nur heiße Luft war.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Nein, die war gut!)

Ich möchte daran erinnern, dass wir das Bundesverfassungsgericht gebraucht haben, um Sie daran zu erinnern, dass Sie in Ihrer Politik auch die Bedürfnisse von jungen Menschen berücksichtigen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Andreas Jung [CDU/CSU]: Warum halten Sie sich nicht an diese Vorschrift? – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Genau! Und an unseren Kontrollmechanismus! Sehr interessant!)

Ich will in die Debatte einsteigen mit einer Frage, die Eckart von Hirschhausen uns Abgeordneten vor drei Wochen gestellt hat, als wir den Parlamentskreis One Health gegründet haben. Er hat gefragt: Was werden uns unsere Enkelkinder eher verzeihen: temporär gestiegene Benzinpreise oder dauerhaft gestiegene Meeresspiegel?

(Zuruf von der AfD)

Nachhaltigkeit ist ein Trendwort geworden, das Megathema. Alles soll mittlerweile nachhaltig sein. Nachhaltig investieren, nachhaltig reisen, selbst nachhaltige SUVs gibt es. Es scheint fast so, als müssten wir nichts ändern. Der technische Fortschritt wird das schon irgendwie richten. Schaut man aber auf die Fakten, müssen wir erkennen: Das stimmt leider nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Effizienzgewinne werden aufgefressen vom Rebound-Effekt, und die weltweiten CO2-Emissionen steigen weiter. Schon heute hat die globale Erderwärmung über 1,1 Grad zugenommen. Die Folgen erleben wir bei uns direkt vor der Haustür. Vor ein paar Tagen gab es die Meldung: Bayern verliert einen von fünf Gletschern. Liebe CSU, wäre das nicht einmal ein Anlass, endlich die 10‑H-Regel abzuschaffen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Haben Sie überhaupt mitbekommen, dass wir sie reformieren? Das kriegen Sie nicht mit!)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen nicht die Gletscher retten. Wir müssen auch nicht die Eisbären retten, nicht einmal die Erde. Wir müssen uns retten; denn die Klimakrise ist die größte Bedrohung für die menschliche Gesundheit in diesem Jahrhundert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Das sage nicht ich, das sagt die WHO, die Weltgesundheitsorganisation. Alleine in Deutschland sind dieses Jahr wieder über 1 000 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben. Allergien nehmen zu und Tropenkrankheiten breiten sich auch bei uns aus.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: 30 000 Menschen sterben am Krankenhauskeim!)

Wenn wir hier an der Spree Fälle von West-Nil-Fieber haben, dann stimmt doch etwas nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Die Klimakrise ist eine Gesundheitskrise. Deswegen werden wir SDG 3 -Gesundheit – ohne SDG 13 – Klimaschutz – auch niemals erreichen; denn Gesundheit und Klima sind untrennbar miteinander verbunden. Dieser Zusammenhang ist aber nicht nur negativ, ganz im Gegenteil. Er bietet auch Chancen. Ich möchte kurz drei nennen.

Erstens. Eine echte Mobilitätswende ist nicht nur gut für das Klima. Sie senkt auch die Zahl der derzeit 70 000 Menschen, die alleine in Deutschland jährlich vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung sterben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Gleichzeitig ist Fahrradfahren und Laufen auch gut für unser Herz-Kreislauf-System. Wer vom Auto auf das Fahrrad wechselt, gewinnt statistisch bis zu 14 Monate Lebenszeit. Wir brauchen die Mobilitätswende also für das Klima und für die Gesundheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Zweitens. Eine echte Ernährungswende ist derzeit wichtiger denn je. Die Art, wie wir Tiere halten, und die Menge an Tieren, die wir essen, treibt die Klimakrise an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig erhöhen Antibiotika, die wir in der Massentierhaltung einsetzen, das Risiko für multiresistente Keime. Ein Umschwenken auf eine nachhaltige Ernährung schützt nicht nur das Klima und die Biodiversität, sie ist auch elementar für unsere Gesundheit.

Und drittens. Der Sommer hat es erneut gezeigt, wie wichtig eine echte Bauwende ist. Klimabedingte Hitzetage, die sich mittlerweile häufen, heizen unsere Städte auf. Es bilden sich Hitzeinseln, die bis zu 10 Grad heißer sind als das Umland. Deswegen brauchen wir Grünflächen statt Versiegelung, Brunnen statt Parkplätze und Bäume statt Betonwüsten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und das ist nicht nur eine Frage von Lebensqualität, sondern auch des Überlebens; denn gerade in Städten ist Hitze besonders tödlich. Das zeigt: Wenn wir nachhaltig bauen, machen wir auch etwas Gutes für unsere Gesundheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei Klimaschutz und Gesundheit gibt es zum Glück kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Sie scheinen phobiegesteuert! – Gegenrufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um auf meine Eingangsfrage zurückzukommen: Wenn wir die volle Dimension von Nachhaltigkeit verstehen und danach handeln, dann lautet die Antwort auf gestiegene Meeresspiegel oder gestiegene Benzinpreise: trockene Küstenstädte mit gutem ÖPNV.

(Martin Reichardt [AfD]: Stehen Sie gerade in einer Hitzeinsel?)

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Schützt die Maske vor Hitze?)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Kay Gottschalk.

(Beifall bei der AfD)