Rede von Dr. Franziska Krumwiede-Steiner Minderjährige und Auslandsehen

Foto von Franziska Krumwiede-Steiner
16.05.2024

Dr. Franziska Krumwiede-Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedes Kind verdient eine Zukunft, jedes Kind hat das Recht auf Schutz, jedes Kind hat Kinderrechte. Wenn Krisen kommen, treffen sie die Kinder am härtesten. Schätzungen zufolge ist die Zahl von Minderjährigenehen während der Coronapandemie um ein Millionenfaches gestiegen.

Amina war 15, als ihr Vater während der Coronapandemie sein Einkommen verlor. Die Familie schlitterte in eine lebensbedrohliche Armut. Aminas Vater erhielt für die Tochter ein Heiratsangebot, und das Geld würde ausreichen, um der Familie das Leben zu retten, ihre Geschwister vor Hunger und Obdachlosigkeit zu schützen. Aminas Vater suchte Schutz durch Heirat, Amina lief weg zu einer NGO, suchte Schutz vor Heirat. Schutz durch und Schutz vor Heirat – ein Paradoxon.

Es ist unsere Aufgabe, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den absoluten Schutz Minderjähriger vor der Ehe und den Schutz Minderjähriger durch die Ehe zu vereinbaren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auf der einen Seite müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Rechte der Kinder geschützt werden und die Minderjährigenehe geächtet wird. Auf der anderen Seite ist es unsere Verantwortung, dass das deutsche Recht, weil es gut gemeint ist, den Betroffenen keinen Schaden zufügt. Wir müssen mit der realen Situation der Minderjährigen umgehen und anerkennen, dass Minderjährige durch Ehe auch Schutz gefunden haben könnten. Deswegen ist es gut, dass der Gesetzentwurf eine Heilungsmöglichkeit bietet und um Unterhaltsregelungen ergänzt worden ist.

Wir werden es uns im parlamentarischen Verfahren nicht einfach machen. Wir prüfen als Grüne erstens aus Sicht der Minderjährigen, ob ihre Absicherung in ihrer konkreten, in ihrer realen Situation gewährleistet ist. Wir setzen uns zweitens für die Ächtung der Minderjährigenehe ein – aus Sicht einer Fraktion, die für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen und Kindern kämpft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Gründe für Frühehen sind vielschichtig, sie gehen von Zwang bis Liebe, von sozialer Absicherung der eigenen Familie über Schwangerschaft bis zum sozialen Aufstieg oder einfach der Aussicht auf ein Leben in Frieden. Es gibt sie in den USA, lieber Herr Bollmann, in Japan, in muslimisch geprägten Regionen genauso wie in christlich-fundamentalistischen Familien. Wir verfolgen hier ein großes Ziel: Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen und Kindern zu erreichen in einer Gesellschaft, die hier wie dort von der Ungleichheit der Geschlechter geprägt ist.

Wir sehen genau hin. Wir sehen die Minderjährige in all ihren Facetten, die noch ein Mädchen, aber ohne Kindheit ist und vielleicht selbst Kinder hat, die geschützt werden müssen – Kinder, die sie als Mutter vielleicht feministisch erziehen möchte.

(Zuruf von der AfD: Das ist ganz wahrscheinlich!)

Damit ihre Tochter weiß: Ich bin wichtig. Ohne Wenn. Ohne Aber. Ich bin gleich wichtig. Punkt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächste Rednerin ist Ingrid Pahlmann für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)