Rede von Susanne Menge Luftverkehr

Susanne Menge
16.05.2024

Susanne Menge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Beinahe wöchentlich erreichen uns Schreiben der Luftfahrtbranche. Darin wird uns mitgeteilt, dass die Luftfahrt durch Steuern, Gebühren und sonstige Kostensteigerungen unverhältnismäßig belastet werde. Diese Belastung geben die Branchenvertreter zugleich als den wahren Grund dafür aus, warum sich der Luftverkehr angeblich in ganz Europa von der Coronakrise erholt habe, nur in Deutschland nicht. – Nun gut, das ist der Job der Lobbyorganisationen. Diese Erzählung machen Sie sich von der CDU/CSU mit Ihrem Antrag allerdings zu eigen. Das ist aber keine verantwortungsvolle Politik. Unser Job besteht darin, diese Dinge erst einmal zu bewerten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Branche klagt, die Flugsicherungsgebühren hätten sich binnen zwei Jahren fast verdoppelt. Was sie allerdings nicht dazusagen, ist, dass die Gebühren zuvor durch dreistellige Millionenbeträge aus dem Bundeshaushalt künstlich abgesenkt worden sind.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)

Wenn die Rückkehr zur Normalität jetzt als Kostensteigerung verkauft wird, ist das unredlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Luftsicherheitsgebühren hat die Bundesregierung gerade gegen lautstarken Protest angehoben. Nicht gesagt hat die Branche allerdings, dass die letzte Anpassung ganze 25 Jahre zurücklag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

An vielen Flughäfen waren die Gebühren längst nicht mehr kostendeckend. All die Jahre haben deshalb Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Rechnung bezahlt, egal ob sie geflogen sind oder nicht. Das ist nicht gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Kostendeckung von Gebühren ist ein allgemeines Prinzip des Verwaltungsrechts.

(Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig so!)

Da darf der Luftverkehr keine Sonderbehandlung erwarten.

Die deutsche Luftverkehrsteuer schließlich gilt als die größte aller Ungerechtigkeiten gegenüber anderen europäischen Luftfahrtstandorten. Dabei zahlt die Luftverkehrsteuer jeder, der in Deutschland startet. Das trifft Passagiere aller Fluggesellschaften gleichermaßen, egal wo sie ihren Sitz haben.

Die EU-Kommission hat außerdem im Jahr 2019 eine Studie herausgegeben, die zusammenfasst, welche Steuern und Abgaben die Mitgliedsländer jeweils für den Luftverkehr erheben. Das überraschende Ergebnis war, dass Deutschland die Branche mit seiner Luftverkehrsteuer nicht erheblich mehr belastet als andere Länder. Eine gewisse Mehrbelastung ist wegen der insgesamt höheren Kaufkraft in Deutschland zu rechtfertigen und auch vertretbar.

Wenn aber allgemein als unangemessen empfunden wird, dass für das Fliegen Steuern bezahlt werden sollten, dann lassen Sie uns auch über die klimaschädlichen Subventionen sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Umweltbundesamt gab an, dass Deutschland Steuereinnahmen von mehr als 12 Milliarden Euro entgehen, weil es keine Kerosinsteuer gibt und weil für internationale Tickets keine Mehrwertsteuer erhoben wird. Die Luftverkehrsteuer dagegen ist, nachdem wir sie gerade etwas angehoben haben, auf 2,33 Milliarden im Jahr gedeckelt. Zur gleichen Zeit, in der angeblich alles zu teuer geworden ist und der deutsche Luftverkehr sich, gemessen an den Verkehrszahlen, etwas langsamer erholt als in anderen europäischen Ländern, hat die Lufthansa Rekordgewinne gemeldet. Wie geht das zusammen?

Deutlich stärker als in anderen europäischen Ländern ist in Deutschland die Zahl der Inlandsflüge eingebrochen. Inlandsflüge sind für Airlines kein gutes Geschäft. Die Rendite ist viel zu gering. Die Lufthansa arbeitet zunehmend mit Zubringerzügen zu den Drehkreuzen statt mit Zubringerflügen. Auch das Klima spielt dabei eine Rolle. Privatleute und Firmen ändern ihr Verhalten. Die Emissionen der Dienstreisen machen nicht selten den Löwenanteil der Klimabilanzen aus. Das Thema wird also immer wichtiger für die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen.

Teil der Wahrheit ist auch, dass die Billigkonkurrenz durch die Marktmacht der Lufthansa aus dem Markt gedrängt wurde. Im Gegensatz zu den nur europaweit agierenden Billigairlines kann die Lufthansa ihr Europageschäft teilweise durch gewinnbringende Interkontinentalflüge gegenfinanzieren. Darüber hinaus hat die Lufthansa ihr Angebot aus unterschiedlichen Gründen weiter verknappt und viele Tausend Flüge frühzeitig abgesagt. Im ersten Quartal 2024 lag die Lufthansa bei der Zahl der Flugstornierungen europaweit vorn.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Warum denn?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben gute Gründe dafür, in der gegenwärtigen Steuer- und Abgabensituation nicht das Hauptproblem in der deutschen Luftfahrtbranche zu sehen. Ein zukunftsfähiger Luftverkehr muss vor allem sein Klimaproblem in den Griff bekommen. Nicht umsonst ist der klare Auftrag des Koalitionsvertrages, Deutschland zum Vorreiter eines klimaverträglicheren Fliegens zu machen.

Die Bundesregierung hat den Arbeitskreis Klimaneutrale Luftfahrt mit zahlreichen Stakeholdern ins Leben gerufen, der konkrete und realistische Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion erarbeitet. Eine zentrale Rolle spielen dabei alternative Kraftstoffe. Wir stehen zum Koalitionsvertrag und wollen Mittel aus der Luftverkehrsteuer für den Hochlauf von E-Kerosin verwenden. Dazu sind wir bereit, nicht aber zu beliebigen Unterstützungsmaßnahmen für ein allgemeines Luftverkehrswachstum. Das Wirtschaftsministerium ist bereits auf einem guten Weg. Das BMWK hat sein Luftfahrtforschungsprogramm gestärkt und erfolgreich auf das Klima ausgerichtet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für das Thema E-Kerosin ist das Verkehrsministerium zuständig. Ich würde die Prioritäten anders setzen und mich um Millionen Tonnen CO2 in der kommerziellen Luftfahrt kümmern, statt Luftschlösser mit Lufttaxis zu bauen.

Ich danke für Ihr Zuhören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)