Rede von Oliver Krischer Kohleausstieg

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06.03.2020

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Matthias Miersch, ich finde es, ehrlich gesagt, mutig von der SPD, sich hierhinzustellen und anderen Parteien Haltungsnoten in der Frage Kohle zu erteilen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

Das ist, ehrlich gesagt, ein Unding. Denn es ist noch nicht lange her, gerade mal gut zehn Jahre, da saß da ein Umweltminister Gabriel – ich weiß, über Sigmar Gabriel reden Sie im Moment nicht mehr so gern –, der ist durch die Lande gereist und hat den Neubau von Kohlekraftwerken gefordert. Genau diese Kohlekraftwerke müssen wir jetzt stilllegen und mit öffentlichem Geld entschädigen.

(Zurufe von der SPD)

Wer eine solche Politik betreibt, wie Sie das in den letzten Jahren gemacht haben, wer ein solches Geeier beim Thema Kohleausstieg hingelegt hat, der sollte ganz, ganz still sein hier bei dieser Debatte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ehrlich gesagt, Herr Altmaier – aber das habe ich auch in anderen Reden, zum Beispiel von Matthias Miersch, gehört –, ich finde, es ist ein Hohn, wenn Sie die Kohlekommission hier loben, aber dabei nicht erwähnen, dass fast ein Drittel der Mitglieder der Kohlekommission, nämlich acht Mitglieder, die die Umweltseite vertreten, gesagt haben: Das, was hier vorgelegt wird, ist eine Aufkündigung des Kohlekompromisses. – Und das haben die einhellig gemacht an der Stelle. Da würde es zur Ehrlichkeit dazugehören, hier zuzugeben, das ist nicht die Eins-zu-eins-Umsetzung, die Sie immer gefordert haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie stoßen diese Leute vor den Kopf, die da in ihren Verbänden schwierige Debatten geführt haben.

Man muss hier auch in aller Klarheit sagen: Dass wir hier heute über ein Kohleausstiegsgesetz reden, das ist nicht der Erfolg irgendeiner Regierung, sondern das ist der Erfolg von Menschen, die zehn, fünfzehn Jahre – gerade in den letzten zwei Jahren die Bewegung Fridays for Future – auf der Straße gekämpft haben; sonst hätten wir kein einziges Kohleausstiegsgesetz, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Ihr habt bei Jamaika nichts hinbekommen, gar nichts!)

Was die Kohlekommission vorgeschlagen hat, wäre immer noch unzureichend gewesen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, hätte aber die Chance geboten, diesen gesellschaftlichen Konflikt zu befrieden. Es ist sehr schade, dass Sie das an der Stelle verschenken. Symbolhaft dafür – man kann es, ehrlich gesagt, nicht anders sagen – steht das Kraftwerk Datteln 4. Wie irre ist es eigentlich, zur Feier des Kohleausstiegs erst mal ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb zu nehmen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Da kommen ja nicht mal Satiriker drauf. Aber das ist die Realität in der Großen Koalition.

Und wenn ich dann mitkriege, wie Entschädigungszahlungen laufen, dass eine LEAG in Ostdeutschland für einen Vorschlag, den sie vor ein paar Jahren selber zur Stilllegung gemacht hat, 1,75 Milliarden Euro kriegt, dann sage ich: Das ist verantwortungsloser Umgang mit Steuergeldern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE])

Sie vergolden den Braunkohlekraftwerksbetreibern den Ausstieg, während auf der anderen Seite – dafür habe ich fast schon Verständnis – die Steinkohlekraftwerksbetreiber sich jetzt beschweren, dass sie hinten runterfallen.

(Dr. Martin Neumann [FDP]: Das ist grober Unfug!)

An der Stelle sind Sie nicht mal in der Lage, zwischen den Betreibern das vernünftig zu organisieren.

Eines muss auch klar sein: Wer von diesem Kohleausstieg, wie Sie ihn gerade machen, profitiert, kann man am allerbesten an der Börse sehen. Seit der Vorschlag im Januar auf den Tisch gelegt wurde, ist der Aktienkurs von RWE um 30 Prozent gestiegen. Das zeigt, wozu am Ende Ihre Entschädigungszahlungen führen. Sie pumpen öffentliches Geld in Konzernkassen. Das hat mit Strukturwandel und den anderen Dingen überhaupt nichts zu tun. Das ist ein Riesenfehler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich sage eines auch klar: Von solcher Fürsorge können Menschen im rheinischen Braunkohlerevier, ehrlich gesagt, nur träumen. Da schaffen Sie jetzt die Grundlage, um die letzten Menschen, die letzten Dörfer im Bereich des Tagebaus Garzweiler zu vertreiben, die Menschen zu enteignen. Wenn es um Kohle geht, dann sind Sie bei Enteignungen ganz schnell unterwegs.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr!)

Ich sage Ihnen ganz klar: Dazu werden wir uns vor dem Bundesverfassungsgericht mit den Betroffenen sehen. Sie werden nicht noch Menschen in diesem Land für den Abbau der Kohle enteignen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Krischer, Sie können weitersprechen, tun das aber dann auf Kosten Ihrer Kollegen.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie müssen Schluss machen! Es wird ja nicht besser!)

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das möchte ich zum Schluss in aller Deutlichkeit sagen: Wir brauchen einen Kohleausstieg, der das Kommissionsergebnis eins zu eins umsetzt. Dazu gehört vor allen Dingen auch: Wer aussteigt, muss auch einsteigen. Wir brauchen den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist das Wichtigste.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Ministerpräsident des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)