Marlene Schönberger MdB
17.05.2024

Marlene Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

(Dr. Christian Wirth [AfD]: Ach herrjeh! Der deutschen demokratischen Fraktionen!)

Islamistinnen und Islamisten verachten alles, was unsere Demokratie ausmacht: universelle Menschenrechte, Würde, Freiheit, Gleichheit. Hier gibt es nichts kleinzureden oder zu verharmlosen. Demokratinnen und Demokraten müssen Islamismus bekämpfen. Punkt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Union setzt das Thema politischer Islam auf die Tagesordnung, und was wir bekommen, ist eine Bühne für Geraune und Ressentiments. Was wir nicht bekommen, ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Fehlern der vergangenen Jahrzehnte. Damit meine ich: Jahrzehntelang wurden Musliminnen und Muslime ausgegrenzt. Ihnen wurde ihre Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft abgesprochen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist doch Quatsch! – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Gleichzeitig wurde radikalen Akteuren wie der Muslimbruderschaft, Millî Görüş oder DITIB das Feld überlassen. In den meisten Regionen stellen Millî Görüş und DITIB die einzigen Strukturen für gläubige Musliminnen und Muslime dar. Immer wieder wurden radikale Akteure aufgewertet. Nach wie vor sind Vertreter/-innen von Dachverbänden, denen auch vom Verfassungsschutz beobachtete Vereine angehören, gern gesehene Gäste bei Veranstaltungen, und Politiker/-innen lassen sich mit ihnen ablichten. Mit kritischer Auseinandersetzung hat das aber auch rein gar nichts zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Martina Renner [Die Linke])

Gleichzeitig gibt es kaum eine Debatte zum Kampf gegen den Islamismus ohne rassistische Stereotype. Immer wieder wird die schiefe Behauptung aufgestellt, das Problem lasse sich durch Abschiebungen und Passentzug lösen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei wird doch vollkommen ignoriert, wer die ersten Betroffenen von Islamismus sind: Menschen mit Fluchterfahrung, andere Musliminnen und Muslime, aber auch Kurdinnen und Kurden, Jesidinnen und Jesiden und Assyrer/-innen. Wie beschämend ist es eigentlich, dass Menschen, die dem Terror des IS entkommen sind, feststellen müssen, welche Strukturen sich hier bei uns verfestigt haben? Wer darauf mit Rassismus antwortet, fällt den Betroffenen in den Rücken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen ehrlich sein: Nach wie vor tun sich sowohl viele Konservative als auch viele in der politischen Linken schwer, den Islamismus und die extreme Rechte gleichermaßen zu verurteilen. Dann überrascht es auch wenig, dass die Gegenproteste zu den schäbigen Kalifat-Demos vor allem von migrantisierten Personen organisiert wurden. Ja, es war wichtig, dass in den letzten Monaten Hunderttausende gegen die extrem rechte Bedrohung auf die Straße gegangen sind. Aber ich wünsche mir, dass sich endlich das Bewusstsein durchsetzt: Diese Bedrohungen sind miteinander verbunden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])

Eine der stärksten Gemeinsamkeiten extremer Rechter und islamistischer Kräfte ist der Antisemitismus, der glühende Hass auf Israel und gegen Jüdinnen und Juden als vermeintliche Stellvertreter des jüdischen Staates. Sie sind verbunden durch eine Ideologie, die moderne aufklärerische Errungenschaften und demokratische Werte bekämpft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Demokratie ist wehrhaft gegen die, die mit demokratischen Mitteln gegen unseren Rechtsstaat kämpfen, und gegen die, die das mit Gewalt tun. Ja, es ist beschämend, dass Deutschland in den letzten Jahrzehnten als Rückzugsort für die Hamas galt, dass hier Spenden für Terror gesammelt werden konnten, dass wir viel zu lange Appeasement-Politik gegenüber dem iranischen Regime betrieben haben und dass das IZH immer noch nicht geschlossen ist. Wer aber in rassistische und migrationsfeindliche Narrative verfällt, der untergräbt den Kampf gegen Islamismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wenn wir Demokratie stärken wollen, müssen wir endlich begreifen, wie erfolgreich sowohl islamistische Gruppen als auch Rechtsextreme in den sozialen Medien sind und dass autoritäre Regime wie Russland oder der Iran dabei ihre Finger im Spiel haben. Wir müssen zugeben, dass in unserem Bildungssystem etwas schiefläuft,

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

dass es mehr Räume braucht, in denen Sorgen und Ängste artikuliert werden können,

(Steffen Janich [AfD]: Grüne Lehrer zum Beispiel! – Gegenruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach mal zuhören! Unglaublich! Das gehört sich nicht!)

dass es mehr Demokratiebildung, Medienkompetenz, Debattenkultur, Wissen zu Antisemitismus und jüdischem Leben braucht.

(Zuruf des Abg. Martin Hess [AfD])

Das ist übrigens auch der Grund, warum alle, die gegen Islamismus kämpfen wollen, auch das Demokratiefördergesetz unterstützen sollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die extreme Rechte und Islamistinnen und Islamisten von der Identitären Bewegung bis hin zu „Muslim Interaktiv“ wollen im Kern das Gleiche: eine autoritär strukturierte Gesellschaft.

(Nicole Höchst [AfD]: Hören Sie sich eigentlich selber zu?)

Wir müssen uns entscheiden: Stehen wir auf der Seite derjenigen, die Homogenität und Identität aufzwingen wollen, oder bei denjenigen, die für emanzipatorische und aufklärerische Werte kämpfen? Es sollte nur eine Antwort geben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Martina Renner [Die Linke])

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Das Wort erhält für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Nina Warken.

(Beifall bei der CDU/CSU)