Lamya Kaddor
17.05.2024

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ein bisschen fühle ich mich wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Ihr Antrag wiederholt Positionen, die wir heute das xte-Mal austauschen.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Ja, weil Sie nichts tun! Haben wir doch gesagt!)

Sosehr ich Ihre guten Absichten auch teile, so irritiert mich doch das Resultat Ihres Antrags. Er zeigt Ihr schwieriges Verhältnis zu deutschen Musliminnen und Muslimen und riskiert weiter den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie machen den gleichen kommunikativen Fehler in der Ansprache der muslimischen Bevölkerung wie in Ihrem Grundsatzprogramm.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Es geht um die Extremisten, nicht um die Muslime!)

– Dann lesen Sie mal Ihren Antrag!

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Es ist unanständig, wie Sie es vortragen!)

Sie knüpfen ihre Zugehörigkeit an Bedingungen, anders übrigens als bei Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften. Ihrem Antragstext nach ist die „kulturelle Vielfalt“ erst dann „ein Gewinn“ für die Gesellschaft, wenn sich Musliminnen und Muslime „friedlich“ und auf dem Boden des Grundgesetzes verhalten.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ist es ja auch!)

Klingt erst mal schlüssig, Herr Frei.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, natürlich!)

Was Sie aber nicht hören oder nicht hören wollen, ist das Vorurteil, das mitschwingt, nämlich dass alle Musliminnen und Muslime zunächst einmal unfriedlich seien und nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stünden.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Quatsch! – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was Sie hören! Sie hören etwas, was niemand sagt! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Unterstellungen!)

Vor allem repräsentiert das nicht die Realität. Mehr als 80 Prozent der Muslime in Deutschland halten die Demokratie für die beste Staatsform. Das entspricht den Zustimmungswerten innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was sind das denn für Zahlen?)

Ihre schwierige Haltung zum Islam zeigt sich auch in der fast inflationären Nutzung des Begriffs „politischer Islam“ – heute auch schon wieder.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, wir sagen, was ist! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Das ist ein Fachbegriff!)

Zunächst: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Vertretung des politischen Christentums in Deutschland dieses Thema aufsetzt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Witzig! Echt witzig! – Christoph de Vries [CDU/CSU]: Nichts verstanden!)

– Dass Sie das nicht verstehen, wundert mich jetzt nicht. – Wenn man die Debatten verfolgt, ist der Begriff zu einem Kunstbegriff für Islamhasser geworden.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Dümmer geht’s nimmer!)

Aufgrund seiner umstrittenen Definition stellt er eine „Projektionsfläche für Feindbilder und islamfeindliche Ängste“ dar und stellt Musliminnen und Muslime unter Generalverdacht.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist das Problem der Grünen! Das ist genau das Problem der Grünen, genau das Problem, das Sie in Ihrer Partei haben!)

– Und das sage nicht ich, Herr Merz, sondern eine Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja, ja!)

Der Gipfel ist, dass Sie anscheinend selbst Schwierigkeiten haben, seine Bedeutung zu erfassen.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Es ist kein Wunder, dass man mit Ihnen nichts hinbekommt!)

– Hören Sie doch einfach zu! – Sie setzen ein Kalifat mit einem Terrorstaat gleich in Ihrem Antrag,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ist er das, oder ist er das nicht? – Zuruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])

und gleichzeitig war es die von Ihnen geführte Landesregierung in Hessen, die 2013 die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat-Gemeinde zur Körperschaft des öffentlichen Rechts erklärt hat – eine völlig auf dem Boden des Grundgesetzes stehende Gemeinde, die einen Kalifen als geistliches Oberhaupt hat. Das haben Sie gemacht.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Relativieren Sie jetzt die Forderung nach dem Kalifat? Das wäre nach unserem Antrag zukünftig strafbar!)

Genau dieses Halbwissen und diese Unstimmigkeiten sorgen dafür, dass ich manchmal echt an Ihren sicherheits- und religionspolitischen Kompetenzen zweifeln muss.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das ist doch unglaublich!)

Statt vom politischen Islam sollten wir, wie die Fachwelt, von „legalistischem Islamismus“ sprechen; denn genau darum geht es.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist doch Wortklauberei!)

– Bei Ihnen vielleicht. – Sie sehen, ich musste erst einmal einiges aufräumen mit Blick auf Ihren vorliegenden Antrag, bevor wir uns nun endlich, endlich über das eigentliche Problem austauschen können:

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist genau das Problem, das die Grünen haben!)

die große Gefahr des Islamismus für uns alle.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Kein Wunder, dass man mit Ihnen nichts hinbekommt!)

Lassen wir uns davon nicht täuschen, dass Islamisten auf perfide Art und Weise versuchen, unsere Werte umzudrehen.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten! Also wirklich wahr!)

Bei ihrer Demo in Hamburg sprachen sie von „Zensur“ und „Meinungsdiktatur“, weil es etwa untersagt war, zu Hass und Gewalt aufzurufen. Sie griffen das reale Problem der Islamfeindlichkeit auf, um es für ihre radikale Agenda zu instrumentalisieren – mit dem schlimmen Effekt, dass so das Narrativ der Islamhasser und Rechtspopulisten wie auch hier der AfD bedient wird, wonach Islamfeindlichkeit nur eine Erfindung von Islamisten sei.

Wenn diese Demonstranten damit etwas bewirkt haben, dann das, nämlich das Leben von Musliminnen und Muslimen in diesem Land zu erschweren. Als Muslimin rufe ich diesen Menschen, die auf diese Demos gehen, durchaus entgegen: Wer in einem Kalifat leben will, der kann nach Afghanistan zu den Taliban,

(Beifall des Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD])

der kann nach Syrien zum HTS, der darf meinetwegen auch gern in irgendeinen anderen Gottesstaat oder gar zum IS gehen. Aber hier ist kein Platz für irgendein Kalifat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die neue Generation von Islamisten weiß sehr gut auf der Klaviatur westlicher Ideen zu spielen. Was wir in Hamburg erlebt haben, ist ein gutes Beispiel für den legalistischen Islamismus. Man gibt vor, sich an die Gesetze des Landes zu halten, aber eben nur bis zur Machterlangung. Und dann wird der Staatsumbau im Sinne ihres fundamentalistischen Verständnisses der Scharia vorangetrieben. Bund und Länder müssen gegen die Strukturen mit rechtsstaatlichen Mitteln vorgehen, auch mit Verboten; daraus machen wir kein Geheimnis. Ein IZH oder „Muslim Interaktiv“ oder auch andere Plattformen sind eine echte Bedrohung für unser Land.

Um extremistische Haltungen zu bekämpfen, braucht es also das Durchgreifen der Behörden. Um sie aber auch aus den Köpfen zu kriegen, muss Prävention und Deradikalisierung her. Hierzu ist das Demokratiefördergesetz nötig; denn diese Arbeit gehört finanziell abgesichert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])

Wer eine politische Ideologie bekämpfen will, muss auch die Geschichte erzählen, dass die große Mehrheit der Muslime ebenfalls vor dem Islamismus beschützt werden muss.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Habe ich gesagt! Habe ich gesagt!)

Und das passiert bei Ihnen kaum. Ich möchte einmal aus dieser unsäglichen Rede eines dieser Prediger aus Hamburg zitieren. Dann merken Sie vielleicht, worum es eigentlich geht. Ich zitiere – es sind ausdrücklich nicht meine Worte –:

„Und genau deswegen wollen wir sowohl den Politikern als auch den Medienschaffenden dieses Landes in Erinnerung rufen, wofür wir hier eigentlich stehen. Seit Jahren versucht ihr, die Muslime zu spalten, indem ihr sie in fiktive Schubladen steckt und anfangt, sie zu kategorisieren. Salafisten, radikale Islamisten, politische, fundamentalistische, ja sogar legalistische Islamisten sind nur einige Begriffe, die ihr uns seit Jahren an die Köpfe geworfen habt. Aber, meine lieben Geschwister, es muss doch nun mittlerweile jedem bewusst geworden sein, wen sie tatsächlich mit diesen sogenannten Islamisten meinen:“

– Achtung! –

„Sie meinen damit jene Muslime, die fünfmal am Tag beten, die im Monat Ramadan fasten, die auf Alkohol und Schweinefleisch verzichten, die das Unrecht aufdecken und zum Guten aufrufen und vor allem die Allah und seine Gesandten in ihrem Leben kompromisslos an allererste Stelle setzen.“

Genau darum geht es. Und genau das sprechen Sie nicht an. Sie sind eine Gefahr für Muslime.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Alexander Throm [CDU/CSU]: Und Sie verbreiten das jetzt vom Plenum aus! Glückwunsch! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich warne vor den Gefahren! – Gegenruf des Abg. Detlef Seif [CDU/CSU]: Sie spalten! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist genau das Problem, das wir mit dieser Fraktion haben! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sehen die Gefahren nicht! – Gegenruf des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU]: Machen Sie nur so weiter! Halten Sie weiter solche Reden! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht mal das Problem erkannt! Sie verstehen nicht mal das Problem! – Sebastian Hartmann [SPD]: Was macht die Schleuserbande? – Gegenruf des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU]: Selbst unter Ihrem Niveau, Herr Hartmann! Selbst unter Ihrem Niveau!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächste hat das Wort für die FDP-Fraktion Sandra Bubendorfer-Licht.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dorothee Martin [SPD])