Rede von Beate Müller-Gemmeke Seearbeitsgesetz

21.02.2019

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute passiert etwas Seltenes in diesem Hause. Denn allzu oft kommt es ja nicht vor, dass der Haushaltsausschuss mal schnell einen Etat um eine halbe Million Euro aufstockt. Doch genau das geschieht heute. Und das ist gut so. Denn davon profitieren Menschen, die unter rauen Bedingungen auf unseren Weltmeeren arbeiten. Die Seeleute haben sich die Rückzugsmöglichkeit bei den Seemannsklubs in unseren Häfen verdient. Vor allem aber haben sie auch Anspruch auf diese sozialen Einrichtungen mit ihren vielfältigen Unterstützungsangeboten. Und genau diesen Seemannsmissionen kommt die halbe Million zugute.

In den vergangenen Jahrzehnten hat die weltweite Schifffahrt einen beispiellosen Aufschwung erlebt. Europäische und auch deutsche Häfen spielen dabei eine große Rolle: Etwa jedes dritte Schiff, das weltweit unterwegs ist, steuert einen EU-Hafen an. Allein im Hamburger Hafen werden heute mehr als doppelt so viele Güter umgeschlagen wie noch in den 1990er-Jahren. Mittlerweile werden 90 Prozent aller Güter, die wir importieren oder exportieren, auf dem Seeweg transportiert. Für unsere exportorientierte Wirtschaft ist der internationale Seehandel also enorm wichtig.

Das alles wäre ohne die harte Arbeit der Seeleute nicht möglich. Die Arbeit auf See stellt die Beschäftigten vor besondere Herausforderungen. Über lange Zeit sind die Seeleute bei Wind und Wetter unterwegs – räumlich beengt und getrennt von ihren Familien und Freunden. Hinzu kommt, dass auch in den Häfen die globalisierte Wirtschaft in immer schnellerem Takt schlägt: Schiffe werden heute deutlich schneller be- und entladen als früher. Das führt dazu, dass die Schiffe immer kürzer in den Häfen liegen. In der Folge bleibt auch den Seeleuten weniger Zeit für Landgänge und Erholung. Umso wichtiger ist es, dass sie sich während des Landgangs so gut wie möglich erholen können. Sie brauchen die Möglichkeit, ihre Freizeit mal abseits des Schiffes zu verbringen. Die einen wollen mal alleine sein, die anderen wollen soziale Kontakte. Es geht auch darum, dass Seeleute Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten. Und es geht darum, dass sie in schwierigen Situationen oder in Phasen der Einsamkeit unterstützt werden. All dies leisten in den deutschen Häfen Seemannsmissionen, und das ist wichtig.

Vor einiger Zeit habe ich mir in einem Hamburger Seemannsklub selbst ein Bild davon machen können. Ich war sehr beeindruckt, was die Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen dort leisten. Es gibt seelsorgerische Betreuung, aber auch Möglichkeiten für Lektüre und sportliche Betätigung. Sogar ein multireligiöser Andachtsraum – ein Raum der Stille – wurde für die Seeleute aus aller Welt eingerichtet. Und wenn es einmal Probleme mit den Arbeitsbedingungen an Bord gibt, leistet der Seemannsklub in Zusammenarbeit mit der Internationalen Transportarbeiter-Föderation auch dabei Hilfestellung. Viele Seeleute schätzen auch die Möglichkeit, im Seemannsklub über WLAN per Video-Chat Kontakt zu ihren Familien aufzunehmen. Alles in allem bieten die Seemannsmissionen Seeleuten eine breitgefächerte und umfassende Unterstützung. Allen Haupt- und Ehrenamtlichen der Seemannsmissionen möchte ich daher meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Sie haben Respekt und Anerkennung verdient.

Die sozialen Einrichtungen in den deutschen Häfen sind wichtig und müssen deswegen finanziell gut ausgestattet sein. Dazu verpflichtet uns auch das Seearbeitsübereinkommen von 2006. Deshalb ist es gut und wichtig, dass der Etat für diese sinnvollen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft erhöht wird. Denn damit unterstützen wir diejenigen, die auf See lange Zeit, getrennt von ihren Familien, arbeiten und mit ihrer Arbeit den globalen Handel erst möglich machen. Von daher stimmen wir Grünen dem Gesetzentwurf zu.