Lamya Kaddor
20.09.2023

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Was die AfD hier mit Kollegen der Union versucht, ist eindeutig. Ehrlich gesagt, will ich mich nicht daran gewöhnen, das sagen zu müssen. Die AfD mit einigen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU in einem Atemzug zu nennen, finde ich echt merkwürdig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist auch unverschämt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

– Hören Sie sich es doch einfach an. – Auf unredliche Weise skandalisieren und überhöhen Sie den Vorgang rund um die Causa Schönbohm. Gegen Herrn Schönbohm wurden ernstzunehmende und schwerwiegende Vorwürfe laut,

(Stephan Brandner [AfD]: Von Böhmermann!)

denen man nicht nicht nachgehen kann.

Die Ministerin hat uns in der heutigen Sitzung des Innenausschusses Rede und Antwort gestanden und Ihre Entscheidung nachvollziehbar gemacht. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz belegte, dass seine Behörde nicht instrumentalisiert wurde.

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, was soll er auch sonst sagen? Soll er das Gegenteil sagen?)

Es liegen keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse gegen Herrn Schönbohm vor. Bereits in den beiden Sondersitzungen zuvor sind die Gründe der Ministerin vorgetragen worden, allerdings nicht persönlich. Dafür entschuldigte sie sich heute sogar bei uns.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Fürs Nichtkommen hat sie sich entschuldigt! Das ist aufgefallen!)

Ihr Antrag zielt zudem darauf ab – und das hörten wir auch gerade –, das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien zu schwächen

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

und ihnen zu unterstellen, sie würden von Politikerinnen und Politikern instrumentalisiert,

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

um, wie in diesem speziellen Fall, Behördenleiter aus dem Dienst zu entfernen. Sie bezeichnen Jan Böhmermann verächtlich als „dubiosen Fernsehkomiker“.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist vollkommen richtig!)

Aber was macht er denn? Er macht etwas Neues: Er verknüpft investigativen Journalismus mit Humor.

(Stephan Brandner [AfD]: Das machen Sie auch!)

Offenbar ist das zu hoch für Sie, wie wir gerade feststellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die AfD instrumentalisiert mit diesem Antrag mal wieder das parlamentarische Verfahren, um ihre staatszersetzende Agenda zu pushen. Wenn Sie, wie heute wieder geschehen, die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden

(Stephan Brandner [AfD]: Sie reden ja wie Seehofer!)

und ihrer Dienstaufsicht, also des BMI, infrage stellen, dann müssen Sie auch Beweise liefern. Da reichen keine Vermerke, die an ein Medium durchgestochen wurden und die man gerne so interpretieren will, dass es in die eigene Erzählung passt. Ihre vermeintlichen Beweise heute waren es, die „zu dünn“ waren.

Das Einzige, was wir heute erleben mussten, ist Ihre verächtliche Haltung zu Demokratie und Parlament.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

– Ja, jetzt schreien Sie wahrscheinlich gleich. Darauf warten wir schon alle.

(Stephan Brandner [AfD]: Wir sind ganz Ohr!)

Denn Ihnen wurde ja bereits eine Rekordzahl an Ordnungsrufen im Bundestag erteilt – 30-mal in dieser Legislaturperiode.

(Stephan Brandner [AfD]: Hören Sie? Keiner schreit!)

– Ja, Sie sind der Einzige, den man hier hört.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die AfD miss- und verachtet mit ihren Zwischenrufen und ihren abstrusen Anträgen das Hohe Haus.

(Stephan Brandner [AfD]: Wir machen doch gar nichts! Sie haben das falsche Konzept da vorne, das Sie vorlesen!)

Sie ist meines Erachtens Feindin einer offenen demokratischen Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ihr Hass richtet sich dabei gegen diejenigen, die ohnehin oft Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren. Sie spricht sich gegen die Gleichwertigkeit von Regenbogenfamilien aus. Sie will die Ehe für alle abschaffen. Abgeordnete wie Herr Ehrhorn fabulieren hier über einen vermeintlichen „Volkstod“. Was sagt eigentlich Ihre Vorsitzende Alice Weidel zu diesem ganzen Geschwafel?

(Stephan Brandner [AfD]: Das müssen Sie sie mal fragen!)

– Nein, das können Sie ja selber tun.

Gewalt gegen queere Menschen interessiert die AfD ausschließlich dann, wenn diese in ihr rassistisches Weltbild passt. Die AfD behauptet, Musliminnen und Muslime, Geflüchtete usw. seien pauschal eine Bedrohung für queere Menschen.

(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Natürlich lässt sie dabei unerwähnt, dass ein Großteil der homo- und transphoben Attacken auf ihre eigene Kernklientel zurückzuführen

(Stephan Brandner [AfD]: Was?)

und in ihren eigenen Reihen zu Hause ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Faktenwidrig behauptet die AfD in ihrem Grundsatzprogramm – Zitat –: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“

(Stephan Brandner [AfD]: Goldrichtig!)

Musliminnen und Muslime in diesem Land seien – Zitat – „eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung“, heißt es weiter. Ich will Ihnen etwas sagen: Weder Queere noch Geflüchtete noch muslimische Menschen, sondern Sie sind eine Gefahr für diesen Staat, für diese Gesellschaft und für unsere Werteordnung, meine Damen und Herren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Sehen die Wähler anders! Die sehen sie als Gefahr! Fragen Sie mal die Wähler in Thüringen oder Sachsen!)

– Hören Sie doch einfach zu! Hören Sie auf, zu brüllen, ehrlich!

(Stephan Brandner [AfD]: Ich flirte mit Ihnen!)

– Ihr Flirten können Sie sich irgendwo – – Sie wissen schon.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Doch, ich flirte gerade mit Ihnen! Das ist meine Flirtlautstärke!)

– Da müssen Sie wohl hinnehmen, dass Ihr Flirtversuch bei mir erbärmlich scheitert.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch Menschen mit Beeinträchtigung hat die AfD als Zielscheibe ihres Hasses identifiziert. Erst kürzlich bekräftigte Björn Höcke in einem Sommerinterview, dass die inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung ein Ideologieprojekt sei.

(Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! Nazisprech!)

Wissen Sie, was? Ihr Hass gegen alles und jeden, der nicht in Ihr krudes Menschenbild passt, das ist ein Ideologieprojekt,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

ein gefährliches, menschenverachtendes Projekt, dem wir alle in diesem Haus uns entgegenstellen müssen.

(Zuruf von der SPD, an die AfD gewandt: Nazis!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien,

(Stephan Brandner [AfD]: Sie haben die Grünen vergessen!)

wir dürfen nicht weghören, wenn die AfD ihre menschenfeindliche Ideologie zur Sprache bringt. Wir werden diese Hetze nicht ignorieren oder gar – und das geht vor allem an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU – durch eine Zusammenarbeit auf kommunaler und Landtagsebene normalisieren.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Vielleicht klären Sie mal Ihre Haltung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union – vielleicht. Demokratie ist eben kein Selbstläufer, sie braucht engagierte Demokratinnen und Demokraten, die jenen, die unseren Staat und unser vielfältiges Miteinander zersetzen wollen, die Stirn bieten.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Machen Sie mal gute Politik!)

Als Demokratinnen und Demokraten müssen wir die AfD stellen

(Stephan Brandner [AfD]: Machen Sie das doch endlich mal!)

und aufzeigen, dass sie keine substanziellen Antworten findet.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Dann regiert doch endlich mal!)

Kürzlich sagte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, die Hauptleidtragenden der AfD-Politik wären ihre eigenen Wählerinnen und Wähler. Die Ideologie der AfD ist also nicht einmal im Sinne derjenigen, die sie wählen.

(Uwe Schulz [AfD]: Das Thema heißt Faeser!)

Die AfD hat weder für diese noch für sonst irgendjemanden Antworten.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie sind ja nur neidisch auf unsere 23 Prozent! Seien Sie doch einmal ehrlich!)

Ohne umfangreiche Migration sind die Probleme, vor denen wir wirtschaftlich und gesellschaftlich stehen, nicht zu bewältigen. Das sind nicht unsere kruden Ideen, das sagt die Wirtschaft. Wenn Sie mir schon nicht zuhören wollen, dann hören Sie doch einfach mal der Wirtschaft zu!

(Tino Chrupalla [AfD]: Grün und Wirtschaft!)

Die Ampel ist sich ihrer demokratischen Verantwortung bewusst. Mit Nancy Faeser hat sie wichtige Akzente gesetzt

(Stephan Brandner [AfD]: Was sagt denn die Wirtschaft zu Frau Faeser?)

gegen die Popularisierung rechtsextremer Positionen, gegen die geopolitische Gefahr, die uns durch verstärkte Cyberattacken droht. Und, ja, unseren Staat zu schützen und jedem Verdacht nachzugehen, ist ihre Hauptaufgabe. Dass die AfD sich den Rücktritt der Ministerin herbeiwünscht,

(Stephan Brandner [AfD]: Das wird die Mehrheit gleich beschließen! Passen Sie mal auf!)

ist daher kaum verwunderlich.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Dr. André Hahn für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)