Rede von Awet Tesfaiesus Anerkennung von Vaterschaften

Awet Tesfaiesus MdB
10.04.2024

Awet Tesfaiesus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! 3 × 10-4, nicht 3 Prozent, nicht 3 Promille, sondern 3 × 10-4, also 0,0003,

(Fabian Jacobi [AfD]: Höhere Mathematik! – Stephan Brandner [AfD]: Das rechne ich noch mal nach!)

das ist der Anteil der Verdachtsfälle, um es einfach mal einzuordnen,

(Axel Müller [CDU/CSU]: Das stimmt aber nicht!)

nicht etwa der Anteil der erwiesenen Fälle von Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung, sondern der Anteil derjenigen Fälle, in denen es aus Sicht der Behörden überhaupt einen Anhaltspunkt gibt, dass eine Vaterschaft unrechtmäßig anerkannt worden sein könnte. Der Alkoholanteil einer reifen Banane, die Sie hier in der Bundestagskantine bekommen, ist wesentlich höher, 200-mal so hoch.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Beifall der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP] – Gegenruf der Abg. Nina Warken [CDU/CSU]: Ich finde das jetzt nicht so lustig! – Fabian Jacobi [AfD]: Das ist ja schon höheres Kabarett: höhere Mathematik und betrunkene Bananen!)

Dann liest man die Vorlage der AfD und fragt sich, wie viele Bananen Sie wohl gegessen haben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die AfD will 3 Millionen Menschen pauschal unter Missbrauchsverdacht stellen, wenn sie einen Antrag auf Anerkennung der Vaterschaft stellen. Ich befürchte, das ist kein Fall der Trunkenheit am Arbeitsplatz, ich befürchte, die AfD war stocknüchtern und nur voll von Hass. Ginge es nach der AfD, müsste jede Frau mit ausländischem Pass, die die Anerkennung ihres Kindes von einem deutschen Vater anstrebt, sich zuvor einer intimen Befragung durch die Ausländerbehörde unterziehen.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist doch jetzt schon der Fall! Das steht doch im Gesetz drin, jetzt schon!)

Da weiß man gar nicht, was schlimmer ist: die unwürdige Befragung oder der Umstand, dass gerade die Ausländerbehörde das machen soll, die eigentlich jetzt schon total überlastet ist. Die unbürokratische Vaterschaftsanerkennung und somit die schnelle Zuordnung wären ausgeschlossen, das Kindeswohl zweitrangig.

Meine Damen und Herren, gestern – wir haben es gehört – hat uns das Bundesverfassungsgericht bestätigt, was für viele Millionen Menschen in diesem Land schon lange völlig klar ist: Es gibt nicht nur viele Varianten von Familie, es gibt auch viele Varianten von Vatersein, nämlich einerseits die biologische, andererseits aber auch die soziale Vaterschaft. Das wussten schon Millionen von Menschen, die ein Adoptionsverfahren durchlaufen haben.

Das Verbot der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung – verstehen Sie mich nicht falsch – ist zu Recht klar festgelegt.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Folgerichtig muss dem in Verdachtsfällen natürlich auch nachgegangen werden, und natürlich muss auch die Umsetzung immer wieder überprüft werden. Das passiert gerade in Zusammenarbeit zwischen BMJ und BMI, wo an einem Gesetzentwurf gearbeitet wird, der sachlich orientiert und nicht spaltend ist.

Die AfD hingegen stellt Menschen mal wieder unter Generalverdacht, am liebsten wegen einer Eigenschaft, auf die die Verdächtigten selbst gar keinen Einfluss haben: Herkunft, Aussehen, Alter; das ist einfach. Aber sie legt damit auch Zeugnis gegen sich selbst ab, sie wird quasi Zeugin in eigener Sache. Denn es gibt kaum einen Gesetzesvorschlag und kaum einen Antrag der AfD, der ohne den Ausschluss von Menschen in diesem Land auskommt: ob es die Forderung ist, Kinder ohne Deutschkenntnisse zu isolieren, das Versprechen der Remigration, Kopftuchverbot, Obergrenze für die Aufnahme von Geflüchteten, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, Streichung von Gender Studies in Hochschulen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist klar, dass es neben der biologischen und der sozialen Vaterschaft noch mindestens eine weitere gibt:

(Fabian Jacobi [AfD]: … die imaginäre!)

die geistige Vaterschaft. Das hat das Bundesverfassungsgericht zwar nicht gestern, aber in einer früheren Entscheidung bereits festgelegt. Die geistige Vaterschaft für die Politik der AfD steht für alle außer Zweifel. Dafür braucht es keine weiteren Belege. Aber wer dennoch daran zweifelt, mag gerne die DNA der AfD anschauen: ihre Reden, die Reden des Spitzenpersonals, die Strukturen unter ihren Mitarbeitenden.

Meine Damen und Herren, 18 Jahre nach der Ermordung meines Kasseler Mitbürgers Halit Yozgat durch den NSU, fünf Jahre nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Rechtsterroristen und Parteigänger der AfD

(Stephan Brandner [AfD]: Das steht aber jetzt im Gesetzentwurf nicht drin!)

darf niemals tatenlos zugeschaut werden, wenn nun Kinder Zielscheibe werden. Frei nach Angela Davis: Now is not the time to be silent.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Sie erzählen einen Unsinn! – Fabian Jacobi [AfD]: Also, die letzten Sätze waren komplett irre, vollkommen irre!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Stephan Thomae hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)