Rede von Felix Banaszak Aktuelle Stunde „Haushalt“
Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Urteil ist bekannt.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Aber wenn ich mir die Debatte heute hier so anschaue und anhöre, dann ist mir nicht klar, ob die Tragweite und die Komplexität dieses Urteils allen schon so ganz bekannt sind.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Die haben es offensichtlich noch nicht gelesen! – Beatrix von Storch [AfD]: Sie meinen den Minister, oder?)
Es wird auch gestern Abend der eine oder andere CDU-Finanzminister in den Ländern oder der eine oder andere CDU-Ministerpräsident in den Ländern sehr, sehr genau nachgeguckt haben: Moment, was bedeutet das denn eigentlich für uns? – Es werden sich auch ganz, ganz viele gefragt haben: Was bedeuten denn jetzt eine solche Sperre im Klima- und Transformationsfonds und eine solche Unsicherheit über 60 Milliarden Euro geplanter Programmausgaben für mich persönlich?
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Ja!)
Ich glaube, wir brauchen die nötige Ernsthaftigkeit und auch das nötige Verantwortungsgefühl in dieser Debatte.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Haben Sie bisher nicht gehabt! – Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])
Wer wie ich aus einer Region kommt, in der Strukturwandel früher vor allem Verlust bedeutet hat, in der industrielle Wertschöpfung verloren gegangen ist und nur in Teilen durch Dienstleistung und Akademisierung aufgefangen werden konnte, wer aus einer solchen Region kommt, kann sich den Leichtsinn mancher Debatte hier gar nicht leisten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wenn wir uns vor Augen führen, dass die Märkte der Zukunft klimaneutral sind, wenn wir uns vor Augen führen, dass alle, inklusive BlackRock und andere, ausschließlich bzw. prioritär in grüne Märkte, in grüne Vorhaben investieren,
(Beatrix von Storch [AfD]: Darüber sollten Sie mal nachdenken!)
dann wissen wir doch, dass die Zukunftsfähigkeit dieser Gesellschaft und ihres Wirtschaftsstandortes entscheidend davon abhängt, dass wir diese Transformation bewerkstelligen können.
(Beatrix von Storch [AfD]: BlackRock sagt Danke!)
Und wenn wir das wissen, dann ist es doch vollkommen klar, dass – egal wie wir die Wege finden – wir Wege finden müssen, den Umbau unserer Gesellschaft zur klimaneutralen Produktion zu schaffen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Denn für Duisburg, für Dillingen, für Bremerhaven, für Ludwigshafen ist die Botschaft klar: Entweder wir bauen um oder wir bauen ab. – Wir wollen umbauen. Sie wollen abbauen. Das ist doch die Lage, die wir heute diskutieren. Sie wollen abbauen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Merz, Sie haben Ihre Rede in dieser Debatte mit zwei Falschbehauptungen begonnen.
Die erste Falschbehauptung bezieht sich auf das, was wir vor der Sommerpause erlebt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat mitnichten abschließend in einem Hauptsacheverfahren entschieden
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das kommt noch! Das kommt noch! Das kriegen Sie noch! – Nina Warken [CDU/CSU]: Das kommt noch! Das wissen Sie ganz genau!)
– mitnichten entschieden! –, dass das nicht verfassungsgemäß sei. Ich bin ja nur ein schnöder Haushaltspolitiker; ich bin gar kein Jurist. Trotzdem ist mir der Unterschied klar. Das Bundesverfassungsgericht hat in einstweiliger Anordnung entschieden: „Es könnte sein …“ Deswegen ist das Verfahren so gemacht worden.
Die zweite Falschbehauptung ist, dass Sie sagen: Diese Regierung macht weiter, als wäre nichts geschehen.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja, so ist es auch!)
Ich weiß nicht, ob Sie schon Rücksprache genommen haben mit Ihren Kollegen im Haushaltsausschuss. Wir saßen da gestern bis kurz vor Mitternacht zusammen,
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Genau so!)
und wir haben entschieden, um die Minderheitenrechte – also Ihre Rechte – zu berücksichtigen, dass wir jetzt die Bereinigungssitzung durchführen, aber dass es nächste Woche natürlich noch eine Anhörung geben wird
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Stattfinden muss!)
und dass wir einen entsprechenden Beschluss des Haushaltsausschusses herbeiführen wollen als Grundlage dafür, dass wir noch in diesem Jahr einen Haushalt verabschieden, im Bundesrat beraten und damit ins Gesetzblatt schreiben können, damit wir nicht in die vorläufige Haushaltsführung kommen. Sie wollen das riskieren. Das ist nicht verantwortungsbewusst.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Aber es gibt tatsächlich, Herr Merz, eine Parallele zwischen dem, was wir im Sommer diskutiert haben, und dem, was wir jetzt diskutieren.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Mehrere!)
Sie haben, obwohl Sie sich so aufgeplustert haben, es nicht geschafft, einen einzigen Änderungsantrag zum Gebäudeenergiegesetz zu formulieren.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nee! Das ganze Gesetz war Mist!)
Und heute haben wir im Haushaltsausschuss die Ankündigung der Unionsfraktion gehört: Sie wird keine eigenen Änderungsanträge einbringen
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Genau so! Sie kriegen auch keine!)
und sich so der konstruktiven Beratung dieses Bundeshaushalts verweigern. – Ich finde, das sollen alle wissen. Sie machen hier ein großes Bohei,
(Christian Dürr [FDP]: Das ist eine Faulheit, die sucht ihresgleichen! Unfassbar! Unfassbar!)
aber wenn es entscheidend ist, dann liefern Sie nicht. Ich glaube, das können und das müssen Sie besser machen in einer so schwierigen Lage.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, das Urteil des Verfassungsgerichts wird weitreichende Auswirkungen haben. Ich kann uns allen nur empfehlen, heute keine zu großen Vorfestlegungen zu treffen und noch nicht zu viele Dinge auszuschließen oder absolut klar als Ziel zu benennen. Wir haben seit gestern ein Urteil, und wir beraten es jetzt in der notwendigen Ernsthaftigkeit, die wir brauchen. Aber ich kann Sie nur bitten, sich zu fragen, was Ihre Verantwortung ist. Das Problem, das wir haben, haben wir hier nicht als Ampel oder als Grüne, sondern wir haben es als Volkswirtschaft und als Gesellschaft.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Eingebrockt von Ihnen!)
Und Sie müssen entscheiden, ob Sie Teil der Lösung sein wollen oder nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind das Problem!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat Johannes Vogel für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)