Rede von Dieter Janecek Aktuelle Stunde „China“

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10.11.2022

Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich glaube, wir können zumindest einen Konsens in dieser Debatte finden: Wir müssen die Europäische Union als Handlungsakteur in diesem politischen Umfeld stärken, wirtschaftlich und strategisch. Das ist essenziell für jede China-Strategie.

Morgen reise ich zusammen mit dem Wirtschaftsminister und anderen Parlamentariern nach Singapur zur Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft. Auch dort wird der weiße Elefant im Raum China sein. Wenn man sich die Handelsverflechtungen in dieser Welt anschaut, stellt man fest, dass China nicht nur der größte Handelspartner faktisch aller asiatischen Staaten ist – übrigens, im Jahr 2050 entfallen 50 Prozent des Weltbruttosozialprodukts auf Asien –, sondern auch fast aller afrikanischen Staaten und eines Teils Südamerikas. Auch unser größter Handelspartner ist China.

China verursacht 33 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Es baut den Bereich der Kohlekraft aus und ist gleichzeitig weltgrößter Investor im Bereich der erneuerbaren Energien. China hat einen Anteil von über 80 Prozent an der weltweiten Produktion von Photovoltaikanlagen und einen Anteil von 73 Prozent an der Herstellung von Batteriezellen. Das sind Trends, die so bestehen. Der Kampf gegen die Klimakrise – das wissen wir alle – wird ohne China nicht funktionieren. Das heißt aber auch für uns, dass wir wirtschaftliche Abhängigkeiten von China reduzieren müssen; denn die Abhängigkeiten sind heute sehr groß, und nach der Erfahrung mit Russland kann man sich sicherlich nicht hinstellen und sagen: Wir können darauf vertrauen, dass wir weiter ein friedliches China vorfinden werden. – Es ist alles möglich, leider alles möglich bei diesem China, auch ein Angriff auf Taiwan. Deswegen müssen wir jetzt umsteuern und eine neue China-Strategie auf den Weg bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Einzelne Branchen sind sehr stark exponiert in China, beispielsweise die Automobilindustrie. VW verkauft über 40 Prozent seiner Fahrzeuge dort. Unsere Wirtschaft ist angewiesen auf kritische Rohstoffe, Seltene Erden. In einzelnen Bereichen geht es um einen Anteil von bis zu 90 Prozent; ich hatte es bereits genannt. Deswegen ist es so notwendig und so richtig – ich bin auch dankbar für die Debatte heute –, dass die Bundesregierung, die Koalition eine neue China-Strategie auf den Weg bringt, die die Aufhebung unserer wirtschaftlichen Abhängigkeit Schritt für Schritt befördert. Ich nenne ein paar Beispiele:

Das erste Beispiel aus dem Bereich der kritischen Infrastruktur wurde schon genannt: COSCO. Es ist gut, dass wir in den Gesprächen zu der Lösung gekommen sind, dass es eine finanzielle, aber keine strategische Beteiligung von COSCO gibt. Es ist gut, dass wir das herbeigeführt haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP])

Es ist auch gut, dass wir jetzt in der Koalition eine Diskussion darüber führen, dass ausländische Investitionen in kritische Infrastrukturen systematischer und restriktiver geprüft werden müssen. Ich denke, das ist notwendig. Wir brauchen auch eine europäische Strategie im Umgang mit ausländischen Investitionen.

Das zweite Beispiel ist ein aktueller Fall aus dem Bereich der kritischen Technologien und Produktionskapazitäten: Elmos. Wir haben ja eine ganze Reihe von Prüfverfahren von chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland. Die Halbleiterindustrie ist natürlich essenziell. Taiwan ist da der Weltmarktführer. Sollte es zu einer Konfrontation zwischen China und Taiwan kommen, wird die gesamte Weltwirtschaft beeinträchtigt sein. Was kann die Konsequenz sein? Doch nur, dass wir als Deutschland, als Europäische Union die eigenen Kapazitäten stärken. Deswegen sind Investitionen wie die am Standort Magdeburg – Intel, 23 Milliarden Euro – wichtig. Das müssen wir weiter voranbringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zum Thema Rohstoffe. Es ist gut, dass die Bundesumweltministerin jetzt ein Kreislaufwirtschaftskonzept auf den Weg bringt und dass wir im Rahmen der Europäischen Union für den kritischen Bereich jetzt auch einen Raw Materials Act auf den Weg bringen. Europa ist ein Kontinent mit wenig eigenen Ressourcen. Deswegen ist Nachhaltigkeit, Sustainability, deswegen sind erneuerbare Energien der Weg in die Unabhängigkeit. Den müssen wir entschlossen beschreiten. Da müssen wir investieren. Das muss Priorität Nummer eins sein in den nächsten Jahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Spahn, Sie hatten es angesprochen: Diversifizierung im Außenhandel. Das ist absolut das Ziel der Gespräche in den nächsten Monaten und Jahren. Wir werden keine leichten Gespräche haben, weil die Partner nicht immer leicht sind. Aber natürlich kommt es darauf an, dass wir auf der einen Seite Freihandelsabkommen finden mit fairen sozialen, ökologischen und auch menschenrechtlichen Standards. Wir müssen auf der einen Seite ein Level Playing Field schaffen für die neue Wirtschaft und auf der anderen Seite Investitionsförderung neu ausrichten. Ich glaube, Risikomanagement kann heute nicht mehr bedeuten, dass Unternehmen von uns erwarten, dass wir alles absichern, wenn sie in China in kritische Felder gehen. Da muss wieder ein Stück weit mehr Eigenverantwortung der deutschen Wirtschaft geschaffen werden. Es muss klar sein, dass Unternehmen ihr Risiko in China selbst tragen müssen.

Zum Schluss. China ist eine Autokratie und ein geopolitischer Rivale im Wettstreit mit dem demokratischen Westen. Aber in einer komplizierten Welt ist es eben auch ein wirtschaftlicher Partner, und Gespräche, Kooperationen im Bereich der Forschung, des Klimaschutzes sind bei all den Schwierigkeiten notwendig. Die No-Covid-Politik in China macht es ja aktuell nicht gerade leicht, Gespräche zu führen. Der Umstand, dass sich das Land komplett abschottet, führt ja auch zu Aggressivität, zu Stimmungsveränderungen. Trotzdem bleibt es notwendig, diese Gespräche weiterzuführen. Aber entscheidend ist immer, dass wir unsere eigene Stärke definieren, wirtschaftliche Souveränität wiederherstellen, auch im Bereich der Energiepolitik und im wirtschaftlichen Verhältnis zu China. Daran müssen wir entschlossen arbeiten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Reinhard Houben ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)