Rede von Andreas Audretsch Aktuelle Stunde „Atomausstieg“

Andreas Audretsch MdB
15.05.2024

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir die Debatte eine Weile angehört und mich, ehrlich gesagt, des Öfteren gefragt, was eigentlich der Neuigkeitswert ist und warum man dazu überhaupt eine Aktuelle Stunde beantragt hat.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Denn all das, was hier jetzt debattiert wurde, ist hundertmal in den Ausschüssen und öffentlich debattiert worden und wurde widerlegt. Offensichtlich haben Sie gerade keine Themen zur Hand und glauben etwas hochziehen zu können, was null Substanz hat. Das haben viele Rednerinnen und Redner dargestellt. Das haben auch Ministerin Lemke und Minister Habeck in aller Ausführlichkeit hier deutlich gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es lohnt sich, zu schauen, wie die Lage war, als wir Regierungsverantwortung übernommen haben. Sie von der Union – und das war der Punkt, an dem wir gestartet waren – haben uns einen Scherbenhaufen hinterlassen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Geschichte hatten wir heute schon einmal! – Gegenruf der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hört man nicht so gerne!])

Sie haben in Ihrer Zeit Deutschland ausverkauft. Es war ein Ausverkauf Deutschlands, wie wir ihn nie zuvor gesehen haben. Und Sie haben Infrastruktur an Russland verscherbelt. Sie haben im Jahr 2015 zugelassen, dass unser größter Gasspeicher in Rehden von Gazprom gekauft wurde. Sie haben ebenfalls 2015 zugelassen, dass die Unternehmen PCK Schwedt, Bayernoil und MiRO in Karlsruhe mehrheitlich an das russische Unternehmen Rosneft gegangen sind, das alles unter Ihrer Kanzlerschaft, unter Ihrer Verantwortung. Sie haben Energiepolitik mit Aserbaidschan betrieben, haben Leute dort gehabt, die die miesesten, dreckigsten Geschäfte gemacht haben. Das alles ist die dreckige fossile Energiepolitik der Union. Ich sage Ihnen eines: Wenn es um die Frage geht, was aufzuarbeiten ist und welche Akten durchzuschauen sind, um herauszufinden, was da noch alles schlummert, dann sollten wir uns die dreckigen Geschäfte mit Aserbaidschan und Russland anschauen, die Sie immer wieder gemacht haben, die dieses Land in eine katastrophale Lage gebracht haben und mit denen wir dann aufräumen mussten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Da wird die SPD mit Freude zustimmen! Da freue ich mich auf die Debatte! Gas-Gerd!)

Weil ich der letzte Redner in dieser Debatte bin, will ich nicht nur einen Blick zurück werfen, sondern auch einen Blick nach vorne werfen. Es gibt tatsächlich etwas Aktuelles, was man hier diskutieren könnte. Seit Ihrem Parteitagsbeschluss sind Sie von der Union die einzige und letzte demokratische Partei, die neue Atomkraftwerke in Deutschland bauen will. Ich bin dankbar für die Gelegenheit, zu beleuchten, was das im Einzelnen bedeutet. Wir haben den Startpunkt März 2022. Schon damals haben die Vorstandsvorsitzenden von Eon, EnBW und RWE gesagt, dass ein langfristiger Weiterbetrieb von Kernkraftwerken nur funktioniert, wenn die Bundesregierung eine Art Eignerrolle übernimmt, wenn sie also die volle Verantwortung für die sicherheitstechnischen und die finanziellen Fragen trägt. Sie wissen ganz genau: Jetzt neue Atomkraftwerke in Deutschland zu bauen, verursacht Milliardenkosten. Das sind die Milliardenrisiken, die Sie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in Deutschland aufbürden wollen.

Wenn wir sehen, was international passiert, dann wissen wir, dass die Konzernchefs schon damals recht hatten. Das Atomkraftwerk Hinkley Point in Großbritannien wurde mal mit 21 Milliarden Euro geplant. Heute sind es über 50 Milliarden Euro, die dort aufgewendet werden sollen.

(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Am Thema vorbei! – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Schnäppchen!)

Sie wollen für Ihre ideologischen Projekte Risiken in Milliardenhöhe auf sich nehmen und das den deutschen Steuerzahlern, den Bürgerinnen und Bürgern überstülpen.

(Frank Rinck [AfD]: Wie Ihre Politik!)

Und das machen Sie noch nicht mal, weil Sie davon überzeugt sind; denn Sie haben über viele Jahre gezeigt – der Kollege hat das sehr schön dargestellt –, dass Sie null Überzeugung in dieser Frage haben: Sie wollen einsteigen, Sie wollen aussteigen, Sie kündigen den Rücktritt an, wenn man nicht aussteigt, und dann wollen Sie wieder einsteigen. Das ist die Unionspolitik in dieser Frage;

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absolut!)

das versteht kein Mensch mehr. Aber Sie fokussieren sich immer wieder auf eines: Wenn es in Ihre populistische Argumentationslage passt, dann nehmen Sie genau die Position ein, die der Stimmungslage gerade entspricht. Und das ist genau das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ich sage nur „Zeitenwende“!)

Ich freue mich, ehrlich gesagt, auf eine Auseinandersetzung im Wahlkampf über genau diese Fragen; denn ich sage Ihnen: Sie wird schlecht für Sie ausgehen.

Was ist das Gegenteil? Was ist verantwortungsvolle Politik? Das ist das, was diese Bundesregierung dieser Tage vorantreibt.

(Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Quatsch!)

Wir haben dafür gesorgt, dass der Ausbau der Wind- und Sonnenenergie durch die Decke geht. Wir sehen in ganz Deutschland, dass die Zahl der Balkonkraftwerke zunimmt, dass Windräder angemeldet werden, dass Kommunen auf dem Weg sind, genau dieses erneuerbare Zeitalter einzuleiten. Damit machen wir das Gegenteil dessen, was Sie gemacht haben. Wir machen Deutschland erneuerbar, und wir machen Deutschland unabhängig von dem Diktator, an den Sie Deutschland über Jahre ausverkauft haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind froh, dass diese Fragen jetzt so auf dem Tisch liegen.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich freue mich auf die politische Auseinandersetzung genau über diese Frage; denn ich bin mir sicher: Sie wird Ihnen nicht bekommen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Tja! Dann wird die SPD freudig dem Einsetzungsbeschluss zustimmen!)