Rede von Sara Nanni Verteidigung
Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Anscheinend heute hier in dieser Debatte nicht. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Wehrbeauftragte! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Gnauck, der hier letzte Woche noch sehr schnittig aufgetreten ist
(Hannes Gnauck [AfD]: Letzte Woche war ich zu Hause!)
– letzte Sitzungswoche –, kommt jetzt nicht mehr zu Wort. Es scheint Ihnen doch peinlich zu sein, was Sie in den Reihen der AfD für Leute haben. Insbesondere nach den Berichterstattungen von correctiv.org, wo auch noch einmal die Verbindungen zur Identitären Bewegung so klar geworden sind, trauen Sie sich nicht mehr, ihn hier in dieser verteidigungspolitischen Debatte nach vorn zu stellen.
(Widerspruch bei der AfD)
Auch das spricht Bände.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Falko Droßmann [SPD]: So ist das!)
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat der Bundeskanzler hier an diesem Platz die Zeitenwende ausgerufen, und im Juni 2022 haben wir dann mit großer Mehrheit das Sondervermögen beschlossen. Wir haben in Sachen Zeitenwende in diesen zwei Jahren viel erreicht. Wir haben die Rahmenbedingungen geändert – der Kollege hat das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz schon angesprochen –, wir haben 2,4 Milliarden Euro für Ausrüstung und Bekleidung der Soldatinnen und Soldaten ausgegeben. Wir haben die Beschaffung der F-35 und damit die dringend benötigte Tornado-Nachfolge geregelt. Wir haben in Warnemünde – das hat mich sehr gefreut; das war ein historischer Tag für die Marine – die MV Werft eingeweiht. Die Instandhaltung wird also einfacher für uns und unsere Verbündeten.
Die Kolleginnen und Kollegen haben schon aufgezählt, was wir uns noch für das nächste Jahr vorgenommen haben: Digitalisierung landbasierter Systeme, Entwicklung von EloKa beim Eurofighter. Wir werden uns mit dem Schutz des Nah- und Nächstbereichs weiter intensiv beschäftigen. Wir werden dieses Jahr auch dafür nutzen, das Material, das wir in die Ukraine abgegeben haben, nachzubeschaffen. Die Truppe braucht es dringend – das sage ich ganz deutlich; das will ich hier nicht schönreden –, um zu üben und um glaubhaft abschrecken zu können.
Aber eine gut ausgestattete Bundeswehr ist nur ein Baustein von vielen auf dem Weg zu einer integrierten Sicherheitspolitik – eine integrierte Sicherheitspolitik, wie sie sich die Bundesregierung in der Nationalen Sicherheitsstrategie vorgenommen hat, eine integrierte Sicherheitspolitik, wie sie auch nötig ist in diesen bewegten Zeiten: NATO-Ostflanke, Balkan, Sahel, Aserbaidschan, Armenien, Israel, Gaza, Rotes Meer, Taiwan-Straße, aber auch die US-Politik mit all ihren möglichen Folgen. Wo Konflikte, Krisen und Kriege ineinandergreifen, wo Herausforderungen für die globale Wirtschaft, für Flucht und Migration, für Frieden und Stabilität so groß sind wie lange nicht mehr, brauchen wir eine integrierte Sicherheitspolitik so nötig wie nie. Die Unterstützung der Ukraine ist für uns vital. Europas Sicherheit hängt von nichts mehr ab als davon, wie dieser Krieg weitergeht oder endet. Und wir richten uns neu aus in der Landes- und Bündnisverteidigung. Die Brigade in Litauen ist essenziell für eine glaubhafte Abschreckung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir müssen aber auch – und das zeigen insbesondere die letzten Wochen sehr deutlich – unsere Demokratie stärken und sie von innen resilient machen.
(Stephan Brandner [AfD]: Aber Sie machen genau das Gegenteil, Frau Nanni! Ist Ihnen das schon mal aufgefallen?)
Uns stehen wieder Einmischungen in Wahlkämpfe bevor, übrigens auch unterstützt durch Sie.
(Zuruf von der AfD: Unglaublich!)
Wir werden weiter mit Cyberattacken rechnen müssen. Russische Agentinnen und Agenten werden weiter ihr Unwesen in Deutschland und Europa treiben. Und sie werden versuchen, die europäischen Gesellschaften zu spalten; daran arbeiten Sie ständig gut mit.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie mit Ihrer RAF-Vergangenheit! Terrorwurzeln bei den Grünen!)
Sie werden versuchen, mit unlauteren Mitteln weltweit zu destabilisieren, und Russland wird auch weiter versuchen, Mehrheiten gegen eine stabile Friedensordnung in Europa und stabile europäische Gesellschaften zu organisieren. Auf all das müssen wir uns einstellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das gehört auch zu einer integrierten Sicherheitspolitik.
(Stephan Brandner [AfD]: Der Kollege Gnauck bekommt mehr Beifall als Sie! Merken Sie das? Sie sollten mal Ihr Redekonzept überarbeiten!)
Das sollte auch dieser Haushalt abbilden. Er tut es aber nicht ausreichend; das sage ich auch ganz ehrlich. Ich finde es verzeihlich, weil dieser Haushalt in einer sehr schwierigen Lage entstanden ist. Nach dem Urteil von Karlsruhe musste die ursprüngliche Planung rasch geändert werden. Ich möchte mich insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen, die das hier verhandelt haben, herzlich bedanken. Ihr habt das Beste daraus gemacht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Aber wir leben in historischen Zeiten, die dem Staat eine Handlungsfähigkeit abverlangen, wie wir sie alle hier im Saal noch nie erlebt haben. Der nächste Haushalt muss das besser abbilden. Für den vorliegenden bitte ich um Ihre Unterstützung.
(Zuruf von der CDU/CSU: Aber was ist 2027?)
An die Union noch ein letztes Wort: Ich weiß nicht, wie oft Sie sich hier noch hinstellen
(Stephan Brandner [AfD]: Ein Wort! Das sind aber schon viele Wörter!)
und so tun wollen, als ob wir in der Zukunft eine große Lücke hätten
(Stephan Brandner [AfD]: Sie können noch nicht mal bis eins zählen!)
und als ob Sie ein Konzept dafür hätten, wie sie geschlossen wird.
(Stephan Brandner [AfD]: Das ist doch kein Wort, das ist ein ganzer Vortrag!)
Sie haben heute Morgen mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden offiziell alle Angebote zur Zusammenarbeit ausgeschlagen, pauschal.
(Stephan Brandner [AfD]: Ein Wort!)
Sie machen in der Haushaltsdebatte keinen einzigen Vorschlag,
(Henning Otte [CDU/CSU]: Sie nehmen immer mehr Schulden auf! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
wo das Geld nach Ende des Sondervermögens herkommen soll.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Der Minister hat ein Plus von 10 Milliarden gefordert, völlig zu Recht! Und beim Sondervermögen haben Sie nichts gemacht! Nichts!)
Und dann stellen Sie sich hierhin und stellen Forderungen, was die Ausstattung der Bundeswehr angeht. Auch das bekommt der Obergefreite mit, Herr Gädechens.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)