Rede von Swantje Henrike Michaelsen Straßenverkehr

Swantje Michaelsen
25.04.2024

Swantje Henrike Michaelsen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen der Union, es wäre so schön, wenn Sie einfach mal bei den Fakten bleiben würden.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie benutzen mal wieder die Debatte, um gegen Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten Stimmung zu machen, und fordern jetzt ein Verbot von Cannabiskonsum durch die Hintertür – für alle Menschen, die Auto fahren.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Ja, genau!)

Bei regelmäßigem Konsum reichert sich THC im Blut an, es bleibt sozusagen ein Rest THC im Blut übrig – auch Tage und Wochen nach dem Konsum. Das bedeutet: Bei Menschen, die am Freitag Cannabis konsumieren – so wie andere am Freitag Bier trinken –, liegt der THC-Wert im Blut auch am Montag danach über der Nachweisgrenze. Die Wirkung ist dann allerdings längst abgeklungen. Das muss ein sinnvoller THC-Grenzwert aus unserer Sicht berücksichtigen; denn er soll nicht dazu führen, dass Menschen, die Auto fahren, niemals Cannabis konsumieren dürfen, sondern dazu, dass sie Konsum und Autofahren trennen. Dafür ist der Wert von 1 Nanogramm pro Milliliter ungeeignet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sie, liebe Kollegen von der Union, benutzen die Verkehrssicherheit immer dann, wenn sie Ihnen gerade in den Kram passt.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Wenn Sie die Autofahrer gängeln wollen, nutzen Sie doch die Verkehrssicherheit!)

Wo sind Sie denn, wenn es um Regeln zu geringeren Geschwindigkeiten geht? Wo sind Sie denn, wenn es um strengere Regeln für Alkohol geht? Wo sind Sie denn, wenn es darum geht, sichere Radwege oder Zebrastreifen anzuordnen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Donth [CDU/CSU]: Wer hat das Geld dafür gestrichen?)

Der Kollege Stein hat es schon angesprochen: Wenn Ihnen die Verkehrssicherheit am Herzen liegt, dann setzen Sie sich bitte bei Ihren Parteikollegen in den Ländern, die seit letzten Herbst die Reform des Straßenverkehrsgesetzes im Bundesrat blockieren, für diese Reform ein,

(Florian Müller [CDU/CSU]: Dann lieber Drogen legalisieren und handwerklich schlecht arbeiten!)

die ja gerade zum Ziel hat, mehr Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in den Kommunen zuzulassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist absurd, dass Sie gerade bei Cannabis mit der Verkehrssicherheit argumentieren. Worüber Sie stattdessen nicht reden: Es gibt harte wirtschaftliche Interessen. Der TÜV verdient an jeder MPU, und die Labore in Deutschland verdienen viel Geld mit den Abstinenznachweisen,

(Michael Donth [CDU/CSU]: Und wer verdient am Cannabis? Dealer danken Ihnen für Ihr Gesetz!)

die Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten teils über Jahre erbringen müssen, wenn sie ihren Führerschein wiedererlangen wollen. Dass ausgerechnet Sie von der Union jetzt dem Minister vorwerfen, dass die Expertenkommission nicht adäquat besetzt wurde – nachdem Sie selbst über Jahrzehnte denjenigen, die mit der Kriminalisierung von Cannabis über das Führerscheinrecht viel Geld verdient haben, die Deutungshoheit überlassen haben –, das ist wirklich absurd.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Sie wählt doch gar kein Autofahrer mehr!)

Natürlich darf niemand im Rausch Auto fahren – nicht jetzt und nicht in Zukunft. Schwere Fälle von Trunkenheit im Verkehr werden über das Strafrecht bestraft, und das ist auch richtig so.

Was ist unser Ziel? Eine faire Regelung für Konsumentinnen und Konsumenten, die Konsum und Autofahren trennen, und eine sichere Regelung, die die Verkehrssicherheit nicht gefährdet. Die Expertenkommission aus dem BMDV hat dafür einen sehr vernünftigen Vorschlag gemacht. Der von der Expertenkommission vorgeschlagene Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum ist ein sehr strenger Wert.

(Jürgen Braun [AfD]: Ha, ha, ha, ha!)

Er entspricht mit Blick auf die Fahrtauglichkeit etwa 0,2 Promille Alkohol und damit der Regelung, die beim Alkohol ausschließlich für Fahranfänger gilt.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Vorhin hieß es, man kann das nicht vergleichen! – Gegenruf des Abg. Florian Müller [CDU/CSU]: Sie tun es trotzdem! Sie widersprechen der Wissenschaft!)

Anders als beim Alkohol haben wir damit eine sehr strenge Regelung für alle. Das ist vernünftig im Sinne der Verkehrssicherheit, und es ist gleichzeitig fair gegenüber den Menschen, die Cannabiskonsum und Autofahren trennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

In diesem Sinne werden wir in der Ampel das Führerscheinrecht anpassen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Jürgen Lenders für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)