Rede von Andreas Audretsch Infektionsschutz
Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will mit großer Ehrlichkeit diese Rede beginnen. Die Debatte heute, die Abstimmungen, die nachher anstehen, die fallen mir persönlich äußerst schwer, weil ich bezweifle, dass das vorliegende Infektionsschutzgesetz letztlich der Lage, die wir haben, angemessen ist. Wir hätten uns auch andere, auch weiter gehende Regelungen vorstellen können, und das ist auch kein Geheimnis in diesem Haus.
Bei steigenden Infektionszahlen, immer mehr Krankenhauseinweisungen, vielen Toten jeden Tag die Basisschutzmaßnahmen so weit, so rigoros nach unten zu fahren, das ist nicht die vorsorgende Politik, die wir gerne hier beschlossen hätten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zumindest die Maskenpflicht in Innenräumen hätte bestehen bleiben müssen.
Lieber Kollege Köhler, liebe FDP, wenn Menschen mit Vorerkrankungen sich zu Hause einschließen müssen, weil wir als Gesellschaft zu rücksichtslos sind und keine Masken in öffentlichen Räumen tragen, dann ist das nicht mein Verständnis von Freiheit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)
Heute hier zuzustimmen, fällt mir schwer, und dennoch werbe ich dafür, weil die Alternative, keine Regelungen zu haben, keine Alternative ist
(Stephan Brandner [AfD]: Die Alternative sitzt hier!)
und weil wir viele weitere Regelungen hier heute haben, die wir mit beschließen. Es geht um die Eltern – das wurde gerade gesagt –; das ist richtig. Es geht aber auch um die vielen sozialen Einrichtungen, die es in Deutschland gibt und die wir selbstverständlich sichern und vor dem Bankrott schützen müssen. Das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz ist ein Schutzschirm, den ganz viele brauchen, und sie sind froh darüber, dass wir es schaffen, das heute zu verabschieden. Schon allein deswegen ist es wichtig, dass es weiterhin gesetzliche Regelungen gibt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen so dringend die Wohlfahrtsverbände, die Müttergenesungswerke, wir brauchen die freien Kitaträger, wir brauchen die Anbieter von Sprachkursen – selbstverständlich! –, wir brauchen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. All das brauchen wir in der Gesellschaft, gerade in einer solchen Pandemie. Die Menschen, die in diesen Bereichen tätig sind, haben über ihre Belastungsgrenze hinaus in den letzten Monaten gearbeitet; sie haben unterstützt, sie haben geholfen, sie haben unterrichtet, so wie es eben gerade noch ging. Diese Menschen verdienen Respekt, sie verdienen Anerkennung, sie verdienen aber viel mehr: Sie verdienen, dass wir hier heute sicherstellen, dass sie gut finanziert und sicher aufgestellt auch in dieser Krisensituation ihre Arbeit machen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Und wo könnte das plastischer werden als bei der Kinder- und Jugendreha? In dieser Pandemie – das wissen wir alle – haben Kinder und Jugendliche so unglaublich viel immer wieder ertragen müssen, sie haben immer wieder gelitten. Wenn wir diesen Kindern und Jugendlichen eine Zukunft geben wollen, dann müssen wir die soziale Infrastruktur sichern, die diesen Kindern und Jugendlichen hilft, die dort ansetzt, wo die Probleme sind, und die die Menschen unterstützt, eine Perspektive aus dieser schwierigen Lage heraus zu entwickeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Bei all diesen Institutionen herrscht weiter Ausnahmezustand. Da kann man so oft, wie man will, hier in diesem Parlament den Normalzustand herbeireden:
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Redezeit!)
Es wird dadurch nicht besser. Dort herrscht Ausnahmezustand.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege.
Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Viele Betroffene haben mit mir in den letzten Wochen gesprochen und darum gebeten, dass wir diese Gesetze verlängern. Genau das tun wir. Ich habe große Sorgen, –
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Redezeit!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Audretsch!
Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– dass das, was wir heute beschließen, nicht ausreicht, und dennoch ist es richtig, genau das zu tun, was wir heute tun.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])