Rede von Tobias B. Bacherle Gemeinsames Europäisches Asylsystem

Tobias B. Bacherle MdB
15.12.2023

Tobias B. Bacherle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst muss ich mir einen Einschub erlauben. Liebe Union, ich habe wirklich eine Bitte. Wir sind in Deutschland ein Einwanderungsland, wir müssen ein Einwanderungsland sein. Ich würde mich extrem freuen, wenn Ihre Fraktion den Sprung heraus aus den 90ern schafft. Überspringen Sie 30 Jahre,

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das Asylsystem hat gar nichts mit Einwanderung zu tun!)

kommen Sie im 21. Jahrhundert an, und dann freue ich mich tatsächlich auf die Zusammenarbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es geht um das Gemeinsame Europäische Asylsystem. Es geht um einen solidarischen Verteilmechanismus. Es geht darum, wie wir in Europa Menschen Schutz bieten, die ihn brauchen.

Nun haben Sie von der AfD-Fraktion in Ihrem Antrag sinngemäß geschrieben: Das reduziert ja gar nicht die Zahlen der Menschen, die fliehen. – Da waren ja einige richtige Sherlocks bei Ihnen am Werk! Sie schreiben über das Gemeinsame Europäische Asylsystem und stellen fest: Menschen fliehen gar nicht, weil Europa über einen verbindlichen Solidaritätsmechanismus streitet. – Nein, Menschen fliehen vor Krieg – Krieg, den Ihr Kumpel Putin immer wieder antreibt, anfängt oder anheizt –,

(Zuruf des Abg. Detlef Seif [CDU/CSU])

oder sie fliehen vor Verfolgung. Auch da ist Ihr Kreml-Buddy besonders gut dabei.

Ich hätte nicht ins Spiel gebracht, welche China-Connections Sie in letzter Zeit aufgebaut haben oder welche anderen autoritären Regime Sie so abfeiern. Aber dass Sie sich hierhinstellen und in diesem hohen, demokratischen Haus den Schlächter Assad kleinreden und verharmlosen, das ist ein Beweis dessen, welche autoritäre Agenda Sie haben und wessen Verbündete und wessen Geistesbruder Sie sind, und das ist eine Schande. Es tut mir leid.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Menschen fliehen aber auch, weil ihnen Existenzielles zum Überleben fehlt. Sie fordern einen stärkeren Fokus auf Problemlösungen. Die Union, wenn ihr das wieder einfällt, spricht dann davon, Fluchtursachen zu bekämpfen. Das ist ein hehres Ziel. Aber es ist frustrierend, dass die Rednerin Ihrer Fraktion heute Morgen in der Haushaltsdebatte hier steht und sagt, dass sie am besten alle Milliarden in der humanitären Hilfe bzw. in der Entwicklungszusammenarbeit radikal einsparen möchte. Sie erinnern sich nicht mal mehr an das Geschwätz von gestern. Nein, es muss noch nicht einmal darüber geschlafen werden. Schon heute Morgen ist es wieder der Schnee von gestern, den Sie hier vorbringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Etwas Gutes hat dieser Antrag: Er zeigt, welche Agenda Sie haben und was Ihre rechtspopulistischen und rechtsextremen Lookalikes in der Europäischen Union mit an den Verhandlungstisch gebracht haben. Auch Kinder möchten Sie gerne einsperren, und Sie fordern, das Klagerecht einzuschränken. Klar, Rechtsstaat nach Ihrem Gutdünken, nur noch dann und wann, wenn es Ihnen passt. Und auch wenn es in UK inzwischen schon abgeschmettert wurde, wollen Sie noch mal prüfen, ob das Ruanda-Modell in Europa nicht doch verfassungskonform bzw. europarechtskonform ist. Ich bin mir sicher: Das ist es nicht.

Sie zeigen mit diesem Antrag, dass Sie es mit der Würde des Menschen, die unantastbar ist und die für alle Menschen unantastbar ist, und auch mit dem Fundament, auf dem die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufgebaut ist, nicht so genau nehmen. Sie zeigen, wie wichtig es ist, dass wir in Europa eine Stimme haben, die für ein gemeinsames, solidarisches, humanitäres europäisches Asylsystem streitet. Sie zeigen, wie wichtig es ist, dass diese Bundesregierung, dass Annalena Baerbock mitverhandelt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Mechthilde Wittmann für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)