Deborah Düring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es wunderbar, dass ich Ihnen, liebe Union, mal sagen kann: Ich bin ganz bei Ihnen – zumindest beim Titel. Beim Ziel – auch da bin ich bei Ihnen –, den Hunger bis 2030 sowie den globalen Hunger nachhaltig zu bekämpfen und dafür auch stärkere entwicklungspolitische Anstrengungen zu unternehmen, sind wir uns vermutlich unter allen demokratischen Fraktionen in diesem Hause einig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Einige Forderungen in Ihrem Antrag gehen durchaus in die richtige Richtung, beispielsweise die Stärkung der Agrarökologie.
Was mir in Ihrem Antrag jedoch gänzlich fehlt, sind die strukturellen globalen Zusammenhänge und das Menschenrecht auf Nahrung. Und, ehrlich gesagt, haben Sie da Ihre Hausaufgaben nicht so richtig gemacht; denn das haben wir schon 2019 an Ihrem Antrag kritisiert. Sie hätten Zeit gehabt, das zu ändern. Aber sei’s drum.
Es überrascht Sie wahrscheinlich nicht, dass ich im Gegensatz zu Ihnen das Heil nicht in der Gentechnik und der Patentierung sehe; das wird Sie nicht überraschen. Wir müssen Saatgut als Gemeingut anerkennen und den freien Austausch sowie die Züchtung traditionellen Saatguts verstärkt unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Anstatt die Lösung für das Welternährungsproblem vor allen Dingen in technologischen Innovationen und in der Gentechnik zu suchen, brauchen wir einen viel stärker menschenrechtsbasierten Ansatz. Wir müssen lokale Produzentinnen und Produzenten in den Fokus rücken. Landrechte müssen gestärkt werden, und die lokale Nahrungsmittelproduktion muss Vorrang vor Futtermitteln und Cash Crops bekommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kampf für Ernährungssouveränität braucht neben strukturellen Veränderungen auch eine angemessene Finanzierung. Sie wissen: Ich rede bei den Finanzen nicht um den heißen Brei herum. Ich bin froh, dass wir eine Einigung für den Haushalt gefunden haben. Gleichzeitig finde ich, dass die Kürzungen im BMZ-Etat kurzsichtig sind.
Warum kurzsichtig? Immer wieder argumentieren Menschen, dass wir jetzt keine Schulden machen dürfen, weil meine Generation diese dann zurückzahlen muss, und wir deswegen Kürzungen beispielsweise im Bereich der internationalen Zusammenarbeit hinnehmen müssen. Ich als junger Mensch sage Ihnen: Es ist kurzsichtig, bei zunehmenden Krisen und Konflikten im Bereich der internationalen Zusammenarbeit zu kürzen. Wir müssen Krisen vorausschauend begegnen. Jede vermeintliche Einsparung zum jetzigen Zeitpunkt wird in Zukunft meine Generation hier und weltweit mehr kosten – das gilt für die Klimakrise und auch für die Welternährung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Was ich damit meine, zeigt sich, finde ich, ganz gut am Beispiel der Ernährungssouveränität. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen hat vorgerechnet: Nur 1 Prozent Einsparung an seinen Mitteln führt dazu, dass 400 000 Menschen, die jetzt von akutem Hunger betroffen sind, in die Kategorie des sogenannten humanitären Notfalls – das heißt: das drohende Verhungern – fallen. Eine Halbierung der Mittel des Welternährungsprogramms würde die Zahl der Menschen, die vom Hungertod bedroht sind, um 50 Prozent ansteigen lassen.
Und ich sage Ihnen: Die weltweite Gemeinschaft kürzt gerade massiv Mittel, insbesondere beim Welternährungsprogramm. Wir wissen, dass Armut und Not am Schluss zu mehr Konflikten führen und dazu, dass Menschen ihr Zuhause verlassen müssen. Diese Menschen müssen hier und weltweit versorgt werden, und diese Konflikte müssen mithilfe der internationalen Gemeinschaft geschlichtet werden. Diese Kosten betragen ein Vielfaches der Mittel, die wir jetzt bräuchten, um sie in die Prävention von diesen Konflikten zu stecken.
Es ist also nicht nur unsere humanitäre Pflicht, die internationale Zusammenarbeit und die Bekämpfung von Hunger noch mehr zu unterstützen, sondern es ist am Schluss auch schlicht im Interesse meiner Generation, weltweit mehr statt weniger Mittel für die internationale Zusammenarbeit bereitzustellen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Frau Kollegin Düring. – Nächster Redner ist der Kollege Dietmar Friedhoff, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)