Rede von Bernhard Herrmann Atomkraft

Bernhard Herrmann
26.04.2024

Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Wiener, bis zum letzten Halbsatz musste man befürchten, Sie stimmen der AfD zu.

(Andreas Bleck [AfD]: Die Wahrheit ist überparteilich, Herr Herrmann!)

Der Applaus, den Sie von dort erhielten, war erschreckend.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Für Sie erschreckend!)

Beim letzten Mal, als wir uns hier über dieses Thema unterhalten haben, haben Sie massiv gegen die ostdeutsche Solarindustrie gearbeitet, indem Sie sich deutlich gegen jegliche Resilienzmaßnahmen aussprachen.

(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Nein! Falsch, Herr Herrmann!)

Ich bin ja froh, dass die Union, wie wir heute gehört haben, nicht ganz so radikal drauf ist wie Sie.

(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Auch das haben Sie nicht richtig verstanden, Herr Herrmann!)

Zum Thema. Der Atomausstieg ist nun ein gutes Jahr her – ein guter Zeitpunkt, zurückzuschauen und zu sehen, dass es keinen Anlass gab, am Atomausstieg zu rütteln, der 2011 unter Schwarz-Gelb beschlossen wurde.

(Beifall des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Halt, halt, halt! Stimmt gar nicht! 2002!)

Blicken wir aber zunächst zurück. Im Herbst 2022 waren wir inmitten der Energiekrise: Putin hatte den Gashahn zugedreht. Ein französisches AKW nach dem anderen fiel aus. Die Kohle konnte nicht mehr geliefert werden, weil die Flüsse trocken waren. Die Wasserkraft lieferte nicht genug. Und der Strompreis ging 2022 durch die Decke. – Das Bundesministerium für Wirtschaft und das Umweltministerium handelten entsprechend.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Und dann ging die Sonne unter!)

Es musste politisch abgewogen werden zwischen der Energiesicherheit auf der einen und den nuklearen Risiken auf der anderen Seite, den nuklearen Risiken, die wir gerade am heutigen Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nicht vergessen dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Das ist Angstmacherei, die Sie da betreiben! – Jürgen Braun [AfD]: Die Grünen leben immer von Angst! Und das seit Jahrzehnten! Immer das Gleiche!)

In dieser Abwägung war im Herbst die Entscheidung vertretbar, die Atomkraftwerke für dreieinhalb Monate weiterlaufen zu lassen.

Ein paar Monate später aber hatte sich die Lage schon verändert. Dank vieler, schnell erfolgter Maßnahmen der Koalition sind wir gut durch die Energiekrise gekommen.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Die Risiken eines nuklearen Unfalls aber blieben. Die AKWs wurden für die Energiesicherheit nicht mehr gebraucht. Das sieht man auch daran, dass die Kohlekraftwerke im letzten Jahr so wenig genutzt wurden wie seit fast 60 Jahren nicht mehr.

(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Weil wir nicht mehr produzieren! Gucken Sie sich mal die Produktion bei den energieintensiven Industrien an! Die produzieren nicht mehr!)

Die Emissionen gehen zurück. Und die Strompreise haben wir auf dem Vorkrisenniveau stabilisieren können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Lassen Sie uns festhalten – die Fakten belegen es –: Die politische Entscheidung gegen einen Wiedereinstieg in die Atomkraft war richtig. Darum kritisieren Atombefürworter wie Sie, Herr Dr. Wiener, inzwischen nicht mehr die Entscheidung, sondern halten sich an Prozessen auf und reden etwas herbei, was es nicht gibt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Differenzierter zuhören!)

Dabei ist dieser Prozess vollkommen üblich gewesen.

(Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU]: Bei Ihnen vielleicht!)

In einem Ministerium trägt die Fachebene Fakten zusammen; das hat sie im Umwelt- und im Wirtschaftsministerium gemacht. Die politische Ebene trifft aufgrund dieser Fakten Entscheidungen –

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Außer im Umweltministerium!)

auch dies ist erfolgt –, und dabei wurden alle Informationen berücksichtigt.

(Lachen des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD] – Martin Reichardt [AfD]: Und die, die nicht gepasst haben, wurden gestrichen oder umgeschrieben!)

Es ist vollkommen normal, dass politische Beamte politische Bewertungen vornehmen, wenn sie Entscheidungsvorlagen für die Hausleitung vorbereiten. Das ist ja ihr Job.

(Martin Reichardt [AfD]: Ich meine, der Minister ist ja auch Märchenbuchautor! Da kann er auch Märchenstudien veröffentlichen!)

Es wirkt schon sehr bizarr, dass Sie das kritisieren. Verstehen Sie etwas von öffentlicher Verwaltung, Herr Dr. Wiener?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Atomfans suchen scheinbar verzweifelt nach Kritik an der Entscheidung und lobbyieren für einen AKW-Wiedereinstieg.

(Jürgen Braun [AfD]: Die Clanstrukturen bei den Grünen müssen noch viel stärker untersucht werden! Ihre Clanstrukturen! – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Haben Sie überhaupt zugehört, Herr Herrmann?)

Das bestätigt mich umso mehr darin, dass wir richtig entschieden haben. Es ist gut, dass wir das Atomzeitalter beendet und das Erneuerbarenzeitalter endgültig eingeläutet haben.

(Karsten Hilse [AfD]: Nur in Deutschland! Die Welt lacht sich kaputt über solche Leute wie Sie!)

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Das grüne Zeitalter ist in zwei Jahren zu Ende! Fahren Sie zurück nach Sachsen, und lassen Sie sich dort auslachen! In Ihrer Heimat werden Sie ausgelacht, Herr Herrmann!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat für die FDP-Fraktion der Kollege Michael Kruse.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)